Party Girl - Roman
aus Sicher heitsgründen sofort das ganze System.
Ihr Geburtstag war der 30. Oktober 1992. Aber weil alle Diebe und Einbrecher wissen, dass man immer als Codezahl den Geburtstag eines Familienmitglieds nimmt, hatte ihre Mutter vorgeschlagen, stattdessen den 31. Oktober zu nehmen, ihren Konfirmationstag. Darauf würde nie jemand kommen, schon gar nicht im katholischen Bayern. Beim Einbau der Alarmanlage hatten die Sicherheitsleute ihr eingebläut, niemals jemandem zu erlauben, die Zahlenkombination einzugeben. Das müsse sie immer selber machen, hatten sie ihr eindringlich erklärt, und darauf achten, dass ihr dabei niemand über die Schulter schaue. So wie beim Bankautomaten.
»Na?«, fragte Mirko.
Mona blickte ihn an. Sie sah einen Jungen mit schwarzen Haaren und schwarzer Lederjacke, aus der die Sonnenbrille herauslugte. Und dachte: Da steht ein Fremder. Was will der hier?
Sie holte tief Luft, stieß sich von der Wand ab und schob Mirko zur Seite.
»Ich mach das«, lallte sie. Sie hatte auf einmal Probleme mit der Aussprache. Irgendwie witzig, fand sie.
Mirko schaute sie beleidigt an. »Traust du mir nicht oder was?«
Mona hob die Schultern, sie hatte das Gefühl, dass sie in den letzten Minuten viel nüchterner geworden war. Sie fühlte sich sicher, seit sie im Haus war. Vielleicht war es das.
»Klar trau ich dir«, lallte sie. »Aber ich mach es trotzdem selbst.«
»Okay.« Mirko trat einen Schritt zurück.
Mona starrte auf das Zahlenquadrat. Die einzelnen Zah len verschwammen vor ihren Augen.
Sie presste die Lider zusammen, riss die Augen wieder auf.
Jetzt sah sie alles doppelt. Scheiße, dachte sie, ich krieg das nicht hin.
»Zeig mal, wo die Drei ist«, bat sie.
»Hier.«
»Und die Eins?«
»Na hier, oben links.«
»Okay, danke. Jetzt noch mal die Eins.« Und dann eine Null. Die war unten in der Mitte.
Sie eilte mit dem Zeigefinger auf den Punkt, war aber nicht sicher genug, und außerdem begann sie wieder zu schwanken, sodass Mirko ihr schon unter die Arme fasste.
»Ist das die Null?«, fragte sie, ein bisschen verlegen.
»Nee, die Neun. Was willst du? Die Null?«
Mona nickte.
Schließlich bat sie ihn auch noch, die Neun und die Zwei zu drücken, und schon schnurrte das System und die Tür ging auf.
Mona strahlte, sie drehte sich zu Mirko um. »Super Tech nik, oder?«, murmelte sie, verhaspelte sich aber mit den Bei nen bei der Drehung und fiel flach auf das Parkett.
»Super ist was anderes«, fauchte Mirko.
Mona war auf einmal den Tränen nahe. So kurz vor dem Ziel noch einmal umzukippen, das war echt albern. Was sollte Mirko denn von ihr denken? Sie war eben doch nur ein kleines naives Mädchen, das nicht einmal zwei lächerli che Cocktails aushielt.
Die Pille hatte sie schon vergessen.
»Okay«, sagte Mirko. »Ich bring dich noch in dein Zimmer.«
»Nur vor die Tür!«, murmelte Mona. »Den Rest schaff ich allein.«
Mirko sagte nichts. Er schleifte sie, indem er sie unter den Armen festhielt, über das Parkett. Ihre Gummisohlen quietschten.
»Ich muss die Schuhe ausziehen«, sagte Mona, »das gibt Streifen auf dem Parkett.«
»Scheiß auf die Streifen«, murmelte Mirko.
»Bitte, Mirko.«
Mirko ließ sie fallen, zog ihr die Schuhe aus und schleifte sie weiter. So ein langer Flur. So endlos lang.
Ich muss aufs Klo, dachte Mona.
Und als sie diesen Gedanken in ihrem Kopf geformt hat te, spürte sie einen unheimlichen Druck auf der Blase.
Ich muss pinkeln, dachte sie, und zwar sofort.
»Kannst du mich bis zum Bad bringen?«, fragte Mona.
»Wenn du mir sagst, wo es ist.«
»Da vorne.« Mona zeigte auf die Tür, Mirko stieß sie mit dem Rücken auf, zog Mona auf die kalten weißen Fliesen und ließ sie da liegen.
Mona sah ihre Badewanne, ihren Handtuchhalter, ihr Waschbecken, ihr Klo.
Sie lächelte glücklich und streckte Mirko die Arme hin.
»Danke«, sagte sie. »Du bist süß. Nächstes Mal wird alles besser. Versprochen. Nächstes Mal bin ich fit.«
»Will ich hoffen«, sagte Mirko.
Ich muss aufs Klo, dachte Mona, ich kann nicht mehr lange mit ihm quatschen.
»Machst du bitte die Tür zu?«, murmelte sie, die Ober schenkel fest zusammengepresst.
Das letzte Mal hatte sie vor ungefähr zehn Jahren in die Hose gepinkelt. Nicht, dass das ausgerechnet jetzt wieder passierte! So ein Schließmuskel ist ziemlich stark, hatte man ihr erklärt, den kann man mit dem Kopf steuern. Sie versuchte, dem Schließmuskel den Befehl zu geben, dass er durchhalten müsse. Ihre Blase
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