Party Girl - Roman
Berechnung.
Wieso fing sie nicht einfach an?
Dreißig Minuten waren schon verstrichen und sie hatte noch nichts zu Papier gebracht.
Stattdessen beobachtete sie ihre Leute. Die Angst, denen könnte es ebenso gehen wie ihr, schnürte ihr die Kehle zu.
Was ist, wenn diese Pillen das Gegenteil bewirken? Was ist, wenn wir alle miteinander versagen?
Oh Gott, das wird die Hölle.
Dieser Scheißkerl!
Ich bring Mirko um, wenn das hier nicht klappt.
In was hat der mich da reingezogen?
Wie blöd bin ich, dass ich da mitgemacht hab!
Wie naiv war ich an diesem Abend! Nichts hab ich gemerkt!
Wenn die in der Schule eine Razzia machen und die Pillen bei mir entdecken...
Ich bring Mirko um. Aber dazu hab ich vielleicht gar keine
Gelegenheit mehr, weil ich dann schon im Knast bin. Kriegt man Knast für illegalen Drogenhandel? Drogenhandel ist immer illegal, oder? Also kriegt man Knast. Charlotte Preuss vor den Scherben ihres Leben! Mann tot,
Tochter im Knast! Wie viel kann sie noch ertragen?
»Mona?« Dr. von Treuchingen stand plötzlich neben ihr. Monas Kopf war erfüllt von einem Rauschen und Dröhnen und die Panik schnürte ihr die Kehle zu.
»Alles in Ordnung?«, fragte er . Mona traute sich nicht, den Kopf zu drehen und zu ih m
hochzusehen. »Du bist auf einmal ganz blass geworden.« Niemand drehte sich zu Mona um. Alle duckten sich et
was tiefer über ihre Aufgaben. Mona lächelte tapfer. »Es geht schon«, murmelte sie. »Ich weiß, dass es geht«, sagte Treuchi ruhig. »Wir haben
diese Aufgaben ja oft genug durchexerziert.«
Mona nickte beklommen. Er legte ihr leicht die Hand auf den Rücken und Mona hatte das Gefühl, dass diese Stelle zwischen den Schulterblättern zu glühen begann.
»Du schaffst das«, sagte er. Und ging weiter . Mona atmete ein und wieder aus .
Du schaffst das, du schaffst das ! Hör auf, an anderen Mist zu denken ! Du schreibst eine Arbeit in Mathe . Das ist Geometrie .
Das kannst du doch.
Das hast du doch gestern gepaukt mit . . . wie heißt der noch, der Typ?
Ach ja: Dominik.
Heiliger Dominik, hilf!
Die Sätze hämmerten sich in ihr Gehirn. Monoton, stupi de, lärmend. Wie an diesem Abend am Ostbahnhof. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie ihn wieder sehen. DJ Trip. Seine Verrenkungen, dort oben auf seinem Podest. Seine Rufe in die Menge.
Aufpassen, Mona!
Du sitzt hier in der Klasse. Das ist eine wichtige Arbeit.
Nimm verdammt noch mal das Lineal und zieh eine Paral lele zum Boden durch die Spitze des kleineren Gebäudes. Ja, so.
Das Gebäude steht senkrecht zum waagerechten Platz. 90 Grad. Also Pythagoras? Nee, Ankathete. Gegenkathete . . .
Mona fingerte das goldene Kettchen aus dem Ausschnitt und hielt das Medaillon mit der linken Hand umklammert, während sie die Aufgabe noch einmal durchlas. Sie vergaß, dass ihre Kehle trocken war, vergaß die Fliege auf ihrem Arm, die sich mit einer winzigen Hautschuppe abrackerte, vergaß die restlichen Pillen in der Tasche unter ihrem Tisch und begann zu rechnen.
Am Ende der Doppelstunde (Mona hatte nicht mal den Pausengong gehört) sammelte Treuchi die Arbeiten ein, leg te sie in seine Mappe und wünschte ihnen einen schönen Nachmittag.
Als er fort war, ging ein Aufstöhnen durch die Klasse.
Mona saß zitternd an ihrem Platz. Sie war erschöpft von der Anstrengung, sich so lange Zeit auf mathematische Ge setze zu konzentrieren, die ihr in ihrer eiskalten Logik ir gendwie Angst machten. Schlimmer war aber noch die Angst, was jetzt kommen würde. Wie die anderen reagier ten.
Jasper richtete sich mühsam auf, ließ die Nackenwirbel knacken und stöhnte: »Leute, ich bin breit.« Dann ließ er seinen Kopf auf die Tischplatte knallen und regte sich nicht mehr.
Mona geriet sofort in Panik. Was meinte er mit breit? Sie sprang auf und war sofort bei ihm, berührte ihn vorsichtig an der Schulter. »Japser! Ist dir schlecht?«, fragte sie ängst lich.
Jasper drehte den Kopf so, dass er sie ansehen konnte. Ganz langsam verzog sein Gesicht sich zu einem schiefen Grinsen.
»Mir geht’s super«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie, aber ich hab zum ersten Mal alle Aufgaben geschafft. Mein Gehirn ist aufgegangen wie ein Hefeteig. Kennst du das?«
»Nee.« Mona schüttelte besorgt den Kopf.
Jasper grinste noch ein bisschen breiter. »Aber ich glaube, ich bin auf ziemlich unkonventionellen Wegen zur Lösung gekommen.«
Die Schüler packten ihre Sachen und verließen nach und nach den Raum. Zum Schluss blieb nur der harte Kern, wie
Weitere Kostenlose Bücher