Passionsfrüchtchen
Prioritäten. Los! Ran an den Speck und Punkte sammeln, Sweetie! Bis später, ich habe auch schon was auf dem Ofen!“
„Warte!“, rief sie Sandra hinterher, aber ihre Freundin war schon wieder in der Menge verschwunden. „Sollen wir nicht auch noch ein bisschen tanzen?“, sagte Nina Michael ins Ohr.
Er nickte. Sie verdrückten sich auf die Tanzfläche. Mittlerweile war es dort so voll, dass man sich kaum noch bewegen konnte. Nina kam ins Schwitzen. Das Gedränge war so groß, dass sie Michael zwangsweise näher kam. Es war nicht mal mehr eine Handbreit Abstand zwischen ihnen. Beim nächsten Takt drehte Nina sich um und tanzte mit dem Rücken zu Michael. Er legte ihr die Hände auf die Hüften. So ähnlich hatte es an Karneval auch begonnen, erinnerte sich Nina. Sie bekam Lust, Michael ein bisschen zu reizen. Sie rückte ihm noch näher auf die Pelle, sodass sich ihre Körper fast vollständig berührten. Michaels Hände glitten an ihren Hüften über die Schenkel nach unten und wieder zurück. Das fühlte sich gut an. Ein Schauder lief durch ihren Körper. Sie lehnte sich an ihn und genoss es, dass er sie so anfasste.
Als Nächstes spielte der DJ etwas Langsames. Jetzt die Tanzfläche zu verlassen wäre blöd gewesen. Entschlossen legte sie ihre Arme um Michael. Sie tanzten eng umschlungen, ohne sich dabei anzusehen. Michaels Lenden pressten sich gegen ihre, und sie atmete die Wärme an seinem Hals. Sie hatte große Lust, mit ihren Händen durch seine Haare zu fahren, seinen Hals zu liebkosen, aber sie hielt sich zurück. Das nächste Lied war wieder ein schnelles – zu schade. Sie tanzten noch eine Weile, aber es wurde ihr zu warm. Die Luft war stickig. Sie hielt es nicht mehr aus.
„Du, ich glaube, ich mache mich auf den Weg“, sagte sie deshalb zu Michael. „Ich hole mal meine Jacke.“
Michael kam hinter ihr her: „Hast du es weit nach Hause?“
„Nein, nicht sehr. Zu Fuß ungefähr eine halbe Stunde. Aber ich glaube, ich leiste mir ein Taxi. Da gibt es unterwegs ein paar blöde Ecken, da finde ich es immer gruselig.“
„Warte“, sagte er „Ich geh mit dir. Ich bring dich nach Hause.“
Nina freute sich. Insgeheim hatte sie darauf spekuliert, dass er das sagen würde.
Draußen war es kalt. Von wegen Frühling! Ninas Zähne fingen an zu klappern. Sie fragte Michael, ob es ihm etwas ausmachte, wenn sie sich bei ihm einhakte. Sie nahm seinen Arm und rückte so nah wie möglich an ihn heran, um möglichst wenig kalten Wind abzubekommen.
Michael fing an zu erzählen. Er studiere noch. Sport und Englisch auf Lehramt. Er hatte gerade sein Auslandssemester in England beendet. Erst vor zwei Wochen war er wiedergekommen. Michael erzählte, wie anders das Studium in England wäre, gar nicht wie in Deutschland. Mehr Stoff auf dem Lehrplan. Viel angesehen hatte er sich auch. Nina hörte interessiert zu.
„Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie du dich jetzt fühlst“, kommentierte sie seinen Bericht. „Ich hatte zwar kein Stipendium, aber ich habe ein Praktikum gemacht. In Frankreich. Ich fand es danach total schwierig, mich hier wieder einzugewöhnen.“
Michaels Interesse war geweckt. Was sie denn für ein Praktikum gemacht habe und wo. Ob sie Paris kenne … „Dann bist du ja sicher perfekt in Französisch“, sagte er.
„Ja, klar“, platzte Nina heraus. Ups! Ihren Lapsus bemerkte sie erst, als es bereits zu spät war. Gut, dass es dunkel war und Michael nicht sehen konnte, dass sie rot wurde. Aber er ging nicht darauf ein. Vielleicht hatte er es nicht bemerkt? Jetzt waren sie schon fast bei Nina zu Hause angekommen. Eigentlich schade. Es war schön, allein mit Michael durch die dunklen, fast leeren Straßen zu gehen. Das schnelle Gehen hatte die Kälte vertrieben und ihr war warm geworden. Am liebsten hätte sie noch eine halbe Stunde einen Umweg mit ihm gemacht. Vor ihrer Haustür kramte Nina in ihrer Tasche nach dem Haustürschlüssel.
„Es war total nett von dir, mitzugehen. Es war ein schöner Abend.“ Dabei spielte sie mit dem Schlüssel in der Hand. Wenn sie diesen Moment doch nur noch ein bisschen hinauszögern könnte! Sie wollte nicht, dass der Abend schon zu Ende war. „Und wie kommst du jetzt nach Hause?“, fragte sie.
„Mach dir um mich keine Sorgen. Ich finde schon ein Taxi.“
Jetzt bekam sie ein schlechtes Gewissen. Er hatte sie zu Fuß nach Hause begleitet, damit sie das Geld fürs Taxi sparen konnte, und jetzt brauchte er selbst eins, um nach Hause zu kommen.
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