Passwort: Henrietta
Geld auf ihrem Konto denken, das Geld, das vielleicht mit dem Sorohan-Deal zu tun hatte. Arbeitete Lynne noch immer am Fall ihres Vaters?
Sie seufzte und massierte sich die Augen, lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch, lauschte dem Summen des Laptops und versuchte, die Informationen erst einmal zu verdauen.
Ihre Recherche hatte zwar einige Lücken gefüllt, insgesamt aber mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Wer gehörte noch zu den Namen auf Leons Liste? Was war mit dem Sorohan-Geld geschehen? Vielmehr, wie konnte nach den hohen Strafzahlungen überhaupt noch Geld übrig geblieben sein?
Sie dachte an Leons Liste. Dann dachte sie an die Reporterin und wie eng deren Kontakte zur Polizei sein mussten, wenn sie die Story so lange verfolgt hatte. Sie schwang die Füße vom Tisch, schlug die Telefonnummer der
Irish Times
nach, rief daraufhin in der Redaktion an und verlangte Ruth Woods zu sprechen.
Während sie in der Warteschleife hing, überlegte sie, wie sie es mit der Reporterin angehen sollte. Sie wollte nicht unbedingt ihre Identität preisgeben und riskieren, dass sie in der Presse damit etwas lostrat. Zeit, mal wieder Catalina herauszukramen.
Catalina Diegos Karriere als imaginäre Freundin hatte begonnen, als Harry fünf Jahre alt gewesen war. Sie hatte meistens die Schuld für Harrys Missetaten zugeschoben bekommen und hatte alles, was Harry nie hatte: Sie war blond und schön, beliebt in der Schule, und ihre Eltern liebten sie. Und sie hatte einen tollen Namen. Als Harry älter wurde, zog sie Pirata vor, später aber, als sie mit ihren Hacker-Betrügereien anfing, erfand sie sie neu. Als Harry vierzehn war, besaß Catalina ein eigenes E-Mail-Konto, einen Führerschein und sogar eine Kreditkarte.
»Woods.« Das Wort kam wie eine Kugel durch die Leitung geschossen.
Harry rückte näher an den Schreibtisch und griff sich einen Stift. Das Lügen fiel ihr leichter, wenn sie Stift und Kritzelblock zur Hand hatte.
»Oh, hallo, Ruth, hier ist Catalina Diego, ich bin Reporterin des
Daily Express
und wollte nur mal anfragen, ob Sie mir ein wenig aushelfen könnten. Ich sitze gerade an einem Artikel über Sal Martinez. Erinnern Sie sich noch, der Typ, der …«
»Ja, ja, ich erinnere mich. Wegen Insiderhandel eingesperrt. Und?«
Harry sah die Frau vor sich, die am anderen Ende wohl genervt mit den Händen fuchtelte. Sie beschloss, sich den Smalltalk zu sparen. »Genau der. Na ja, ich müsste ein paar Fakten bestätigen und weiß, dass Sie damals die Ermittlungen eng begleitet haben. Ich dachte mir, vielleicht könnten wir uns auf ein kleines Tauschgeschäft einigen.«
Es folgte eine Pause. Harry hatte gehofft, ihre Story durchziehen zu können, bevor Ruth überhaupt Zeit fand, auf den Scheiß einzugehen, aber die Frau ließ sich ganz offensichtlich nicht aus der Ruhe bringen. Harry zeichnete ein dreidimensionales Dollarzeichen auf den vor ihr liegenden Block und wartete auf die Erwiderung der Reporterin.
»Der
Daily Express
«, sagte Ruth schließlich. »Ich dachte, ich würde da alle kennen.«
Verdammt, was für ein schlechter Start. »Na ja, ich bin neu hier und möchte mit der Sache einen richtigen Knaller landen. Was halten Sie also von einem Tauschgeschäft?«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich hab ein paar neue Aspekte. Frische Hinweise.«
»Die Sie mir überlassen werden?«
Harry lachte. »Ich bin vielleicht noch neu, aber nicht blöd. Aber ich könnte Ihnen einiges zukommen lassen. Wenn Sie mir im Gegenzug dafür Informationen liefern.«
Ruth schien sich den Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen. »Welche Informationen?«, fragte sie schließlich.
Harry malte die Umrisse des Dollarzeichens dicker. »Haben Sie jemals die Namensliste zu Gesicht bekommen, die Leon Ritch den Behörden überreicht hat?«
Es folgte eine lange Pause. »Nein.«
»Aber Ihnen ist bestimmt was zu Ohren gekommen.«
»Und wenn? Es gab damals eine Menge Gerüchte zu dem Fall. Die Hälfte davon konnten wir nicht drucken.«
»Warum nicht?«
»Gerichtliche Verfügung, wir durften nicht in ein schwebendes Verfahren eingreifen.« Trocken fuhr sie fort: »Und auch vonseiten des Herausgebers, damit wir nicht wegen Verleumdung verklagt werden.«
»Von welchen Dingen reden wir hier?«
»Erst erzählen Sie mir von Ihren neuen Hinweisen«, kam augenblicklich Ruths Erwiderung.
Harry hörte Blätter rascheln. Wahrscheinlich bereitete sich die Reporterin darauf vor, sich Notizen zu machen. Sie ging die Fakten
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