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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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Geld, das ihnen gehört. Zwölf Millionen Euro, um genau zu sein.«
    »Und haben Sie es?«
    »Möglicherweise.«
    Die Rotorblätter begannen sich zu drehen, spannten sich, richteten sich aus und schnitten Schatten ins Sonnenlicht.
    »Und was hab ich mit alldem zu tun?«, fragte Jude.
    Die Rotorblätter drehten sich immer schneller und übertönten das Dröhnen der Maschine. Harry widerstand dem Drang, die Schultern einzuziehen. Selbst mit den Kopfhörern war der Lärm nahezu unerträglich.
    »Sie haben damit zu tun, weil Sie ein Investmentbanker sind«, sagte sie und versuchte nicht zu brüllen. »Sie verstehen was vom Traden, vom internationalen Geldfluss.« Die Vibrationen der Maschine übertrugen sich auf sie, ihr ganzer Leib zitterte, sie musste sich an den Armlehnen festklammern, um ihre Hände ruhig zu halten. »Laut dem Typen, der mich auf die Gleise gestoßen hat, gehört das Geld dem Trading-Ring meines Vaters.«
    Der Helikopter hob sich senkrecht in die Luft, Harrys Magen sackte geradewegs in den Unterleib. Jude sah zu ihr herüber.
    »Schon mal in so einer Kiste gesessen?«
    Harry schüttelte den Kopf und wagte nicht zu sprechen. Sie schwebten einen Augenblick mitten in der Luft, dann kippten sie nach links in eine steile Schräglage. Harry schluckte. Der Boden kam auf sie zu, einen Moment lang sah sie die Welt hochkant gestellt.
    Als der Helikopter wieder ausgerichtet war, warf sie einen Blick zu Jude. Er steuerte die Maschine auf geradem Kurs, bewegte mit viel Fingerspitzengefühl den Steuerknüppel, suchte den Horizont ab und war im Einklang mit der Maschine. Seine Miene zeugte von Wachsamkeit und Intelligenz.
    Wo zum Teufel war die steife Schildkröte abgeblieben, die sie zum Flughafen kutschiert hatte?
    »Woher hatte der Trading-Ring die zwölf Millionen Euro?«, fragte er.
    »Gut, ich reime mir Folgendes zusammen«, sagte sie. »Der Trading-Ring erhielt die Insiderinformation, dass Sorohan von Aventus übernommen werden sollte. Sie kauften Sorohan-Aktien, als der Kurs niedrig stand, und wussten, er würde durch die Decke schießen, wenn die Übernahme bekanntgegeben würde. Dann, nach der Veröffentlichung des Übernahmeangebots, verkauften sie zu Höchstpreisen und machten Gewinn.« Sie runzelte die Stirn. Das Folgende konnte sie nur vermuten, hatte aber das Gefühl, dass sie damit richtiglag. »Irgendwie gelang es meinem Vater, einen Teil oder den ganzen Gewinn zur Seite zu schaffen. Und jetzt wollen die anderen Ringmitglieder es zurück.«
    »Sie meinen, Ihr Vater hätte sie hintergangen?«
    »Würde mich nicht überraschen. Mein Vater hat alle hintergangen.«
    Jude sah sie lange an. »Na ja, mich hat er nie hintergangen. Er war einer der begabtesten Investmentbanker, die ich jemals kannte, und einfach zu clever für so einen Scheiß.«
    Sie starrte ihn finster an. »Anscheinend nicht clever genug. Er wurde erwischt, vergessen Sie das nicht.« Sie sah weg. »Außerdem geht es hier nicht darum, ob er schuldig oder unschuldig ist.«
    Plötzlich legte sich der Helikopter nach rechts. Der Boden schoss auf Harry zu. Sie versteifte sich. In der letzten Sekunde fing sich die Maschine und stieg senkrecht nach oben. Der Horizont raste unter ihnen weg.
    Harry war wie versteinert. »Können Sie diese Macho-Manöver lassen und einfach geradeaus fliegen?«
    Jude sah sie verblüfft an. Er richtete die Maschine aus, und die Welt lag wieder da, wo sie hingehörte. »So besser?«
    »Ja. Danke.« Sie ließ den Sitz los und atmete ein paar Mal durch. Schweigen. Es war nicht möglich, sich mit diesem Typen zu unterhalten, ohne dabei sauer zu werden.
    Jude räusperte sich. »Also, falls Ihr Vater das Geld hatte, dann ist vielleicht er es, der es auf Ihr Konto überwiesen hat.«
    Harry rutschte auf ihrem Sitz herum. Das war ihr ebenfalls schon durch den Kopf gegangen. Vielleicht musste ihr Vater das Geld hin und her transferieren, damit es nicht entdeckt werden konnte. Möglich. Ergab irgendwie Sinn. Es bedeutete aber auch, dass ihr Vater bewusst in Kauf nahm, sie in Gefahr zu bringen.
    »Möglich«, sagte sie.
    »Klingt jetzt vielleicht irgendwie naheliegend, aber warum fragen Sie ihn nicht einfach?«
    Ihn einfach fragen. Wie simpel. Wie verlockend, ihn einfach besuchen zu gehen, ihm alles zu erzählen, was vorgefallen war, und sich dann in seine warme Umarmung zu werfen, wie sie es getan hatte, als sie fünf gewesen war.
    Harry schlug die Beine übereinander und löste sie wieder. Wem wollte sie hier etwas vormachen?

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