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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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so flach, als hätte er ganz aufgehört zu atmen. Plötzlich gingen in der Wohnung im obersten Stockwerk die Lichter an, er sah die Frau im Fenster, die sich streckte, um die Vorhänge zuzuziehen. Er setzte sich auf und schlug mit der Faust auf sein Knie ein. Im Erdgeschoss war es noch immer dunkel.
    Cameron atmete tief durch und rieb sich die Hände an der Jeans ab. Dann zog er die Gummihandschuhe an. Er spannte die Finger und streifte das dünne, enge Latex über die Knöchel und zog es an den Handgelenken straff. Das blasse Material verlieh seinen Händen etwas Unmenschliches. Sie wirkten blutleer und wächsern, so wie die Hände seiner Mutter, nachdem sie bereits mehrere Stunden tot gewesen war.
    Sie war sein erster Unfall gewesen. Er konnte sie noch immer vor sich sehen, ihr Leichnam unten an der Treppe, die unnatürlich verdrehten Beine, die Gehhilfe, die wie ein Käfig auf ihr lag. Er erinnerte sich an die schaurige Mischung aus Faszination und Angst, die sich seiner bemächtigt hatte. Es war das erste Mal gewesen, dass er jemanden umgebracht hatte.
    Das Zucken seines Knies war mittlerweile nicht mehr zu kontrollieren, er ließ es auf und ab wippen wie ein kleiner Junge, der auf die Toilette musste. Wieder sah er zur Wohnung und versuchte sich vorzustellen, wie es aussah, wenn das Feuer sich festgefressen hatte: orange- und safrangelbe Flammen, die fünfzehn Meter hoch in den Himmel schlugen, schwarzer Rauch, der durch die Fenster qualmte, der Geruch verkohlten Holzes, dazu der donnernde Lärm der Verwüstung.
    Er atmete langsam aus, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Endlich war sein Knie ruhig. Die Wohnung im Erdgeschoss lag noch immer in Dunkelheit, aber er wusste, er konnte warten. Er war sich sicher, dass bald jemand kommen würde.

[home]
    25
      
    D er RAT hatte seine Arbeit getan. Harry gab die Verbindungsdaten ein, und die Hintertür zu Frank Buckleys Computer schwang weit auf. Sie schlüpfte hinein und schloss mit einigen Befehlen die Tür hinter sich. Ein Kleinganove, der mit dem Hausschlüssel einen Einbruch beging, hätte es nicht leichter gehabt.
    Sie sah zu Jude. Er ließ den letzten Rest seines Biers im Glas kreisen und studierte ihn, als läse er aus dem Teesatz. Das Pub war fast leer, sie hörte das Klirren der Gläser, die hinter der Theke geputzt und weggestellt wurden.
    Sie wandte sich wieder der Tastatur zu und schlich auf Zehenspitzen um Frank Buckleys Dateien herum, ließ seinen persönlichen Kram links liegen und hatte es auf seine Netzwerkverbindungen abgesehen. Von hier aus tauchte sie in die Zentralrechner von KWC ein und begann mit ihrer Suche nach den E-Mail-Archiven des Unternehmens. Nebenbei startete sie die parallele Suche nach den Dateien mit den Systempasswörtern. Sie glaubte nicht, dass sie Administratorenrechte benötigte, aber es konnte ja nicht schaden, wenn man sie hatte.
    »Also, wonach genau suchen Sie?«, fragte Jude, den Blick noch immer auf den Grund seines Glases gerichtet.
    »Den Namen des Typen, der mich umbringen will.«
    Er hörte auf, sein Bier kreisen zu lassen, und starrte sie an. Dann stand er auf, kam zu ihr herum und sah über ihre Schulter auf den Bildschirm. Die Mischung aus seinem scharfen Aftershave und warmem Bier hatte etwas sehr Männliches an sich.
    Ihre Archivsuche hatte Hunderte von alphabetisch geordneten Dateien eingetragen. Jede war nach einer Person benannt, das Datum reichte bis 1999 zurück.
    »Hey, das ist eine Liste von KWC -Angestellten«, sagte Jude und beugte sich näher heran.
    »Es sind ihre E-Mail-Archive.« Sie strahlte ihn an. »Ihres ist auch dabei.«
    Jude ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder und starrte finster auf den Bildschirm. Verstohlen sah sie zu ihm. Aus einem bestimmten Winkel erinnerte sein massiger Oberkörper an einen Comic-Superhelden.
    »Aber Sie werden doch sicherlich ein Passwort brauchen, wenn Sie sie öffnen wollen?« Seine Stimme schien durch die leere Bar zu hallen, wie die von jemandem, der zu laut in der Kirche sprach.
    »Sollte man meinen, oder?« Harry scrollte durch die Liste, bis sie auf einen Haufen Dateien stieß, die Felix Roche gehörten. Es gab acht davon, eine für jedes Jahr zwischen 1999 bis 2007. »Die Leute sind so paranoid wegen ihrer E-Mails, sie sichern sie mit Benutzernamen und Passwörtern ab. Aber wenn es ums Backup geht, wird häufig alles einfach in eine Datei gepackt, die jeder lesen kann.«
    Sie stupste ihre Maus an, so dass der Zeiger über dem Archiv aus dem

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