Passwort: Henrietta
Schulter und beschleunigte ihre Schritte. Zum ersten Mal seit Stunden war sie völlig ungeschützt im Freien unterwegs; allein bei der Vorstellung zuckte sie leicht zusammen. Sie ließ den Blick über die dunklen Straßen schweifen, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches erkennen. Hinter sich hörte sie Jude, der in sein Handy sprach. Seltsamerweise beruhigte sie das.
Sie schob die Tür der Bar auf, und das Erste, was sie traf, war der Geruch frischer Farbe. Sie stand in der Tür und sah sich um. Die niedrigen Holzbalken waren verschwunden, die Decke alabasterweiß gestrichen. Lichtspots beleuchteten das cremefarbene Ledermobiliar, auf den Tischen waren Kerzen verteilt, fast so, als würde jemand gleich die Messe lesen. Harry trat ein. Wo gingen heutzutage bloß die Bären hin, wenn sie was trinken wollten?
Für einen Samstagabend war wenig los. Sie suchte sich einen Tisch in der Ecke, Jude, der noch immer ins Handy sprach, folgte dichtauf. Harry warf sich auf das Ledersofa und saß mit dem Rücken an der Wand. Sie schob die Kerze aus dem Weg und packte ihre Tasche auf den Tisch.
»Wir müssen es bis morgen über die Bühne gebracht haben«, kam es von Jude. Er stand vor dem Tisch, halb von ihr abgewandt. Sie bemerkte, wie akkurat das Haar an seinen Ohren ausgeschnitten war.
Sie holte den Laptop heraus, wartete, bis er hochfuhr, und ging ihre Optionen durch. Es gab Hunderte verschiedene Möglichkeiten, die meisten davon kosteten Zeit. Sie aber wollte jetzt Zugang zum KWC -Netzwerk. Die E-Mails der Ringmitglieder gaben wichtige Hinweise auf ihre Identität. Leon Ritch und Jonathan Spencer waren ihr bereits bekannt. Die Figur, die sie jedoch am meisten interessierte, war die schattenhafte Gestalt des Propheten.
»Schau in deinen E-Mails nach, Frank«, sprach Jude ins Handy. »StarCom hat uns heute Nachmittag das neue Konzept fürs Meeting gemailt. Ruf mich an, bevor du nach Hause fährst.«
Harry schaute ihn kurz an, dann kam ihr plötzlich eine Idee. Ihr Blick folgte seinem Handy, als er es auf dem Tisch ablegte.
»Ich hol uns was zu trinken«, sagte er. »Was wollen Sie?«
Blinzelnd sah sie zu ihm auf. »Oh, einen Weißwein. Danke.«
Sie beobachtete ihn, wie er zur Theke ging. Er sah eher wie der Rausschmeißer eines Nachtclubs aus, kaum wie ein Investmentbanker. Als sie sich sicher war, dass er sich nicht umdrehen würde, griff sie sich sein Handy, hielt es unter den Tisch, tippte darauf herum und suchte nach dem Namen des letzten Anrufers. Ein kurzer Blick zur Theke. Jude schob dem Barkeeper Geld rüber. Wieder sah sie aufs Handy. Hier war er ja. Frank Buckley. Bevor Jude mit den Getränken zurückkehrte, legte sie das Handy wieder auf den Tisch.
Und dann streckte sie ihm die Hand entgegen. »Geben Sie mir doch noch mal eine Ihrer Visitenkarten.«
Er runzelte die Stirn. »Wofür?«
»Kommen Sie, tun Sie mir den Gefallen.«
Er zog eine Karte aus seiner Brieftasche und reichte sie ihr. »Ich nehme doch nicht an, dass da vertrauliche Dinge drauf wären.«
»Sie werden überrascht sein.« Sie betrachtete die Karte und gab sie ihm zurück. Dann begann sie, auf den Laptop einzuhacken. »Hier, sagen Sie mir, was Sie auf der Karte sehen.«
Er warf einen Blick darauf, zuckte mit den Schultern und nahm auf einem Stuhl ihr gegenüber Platz. »Mein Name, Telefonnummer, E-Mail-Adresse. Meine Kontaktdaten bei KWC .«
»Genau. Und jetzt sage ich Ihnen, was ein Hacker sieht.« Harry ergriff die Karte und deutete auf die Telefonnummer. »Hier. 2411200. Das ist die Nummer der Zentrale. Und hier Ihre Durchwahl, 2411802. Die gibt einem Hacker einen Anhaltspunkt, wie viele Nummern die Zentrale verwaltet. In Ihrem Fall Hunderte.«
»Und?«
»Bei so vielen Angestellten ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass einer von ihnen einen Computer über ein Modem direkt ans Telefonnetz angeschlossen hat. Das ist wahrscheinlich verboten und höchstwahrscheinlich unsicher.«
»Aber warum sollte jemand so was tun?«
»Meistens deswegen, weil er damit ins Internet kann, ohne dass die Firma ihn überwacht. Vielleicht lädt er Pornos runter, solche Sachen eben. Ein Hacker muss jetzt also nichts anderes tun, als der Reihe nach die Nummern anwählen, bis er auf ein Modem trifft. Und damit, bingo, ist er in diesem PC drin, und das Netzwerk gehört ihm.«
»Großer Gott. Und das wollen Sie jetzt machen?«
Harry schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
Sie begann, eine E-Mail mit folgender Betreffzeile aufzusetzen: »Dringend:
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