Passwort: Henrietta
möchtest.«
Harrys Herzschlag machte einige Hüpfer, die sie zu ignorieren versuchte. »Ich hab keinen Bammel, ich komme sehr gern. Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst.«
»Ich kann Sachen aufwärmen. Meine Haushälterin kann kochen.« Das Lächeln war seiner Stimme anzuhören. »Dann hol ich dich um sieben ab?«
Harry zuckte zusammen, als sie an die rasante Autofahrt vor einigen Tagen denken musste. »Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich selbst fahre. Ich muss vorher noch ein paar Dinge erledigen. Ich könnte so gegen halb acht da sein?«
»Halb acht, wunderbar. Ich sollte dir vielleicht noch den Weg beschreiben, das letzte Mal bist du eingeschlafen.«
Harry hörte sich seine knappe Beschreibung an und skizzierte auf der Rückseite eines Umschlags eine grobe Karte. Nachdem sie aufgelegt hatte, setzte sie sich auf die Bettkante und überlegte, was sie anziehen sollte. Es fiel ihr schwer, den bevorstehenden Abend nicht gleich zu überspringen und an das zu denken, was nach dem Abendessen folgen könnte. Im Moment aber kam sie gut und gern ohne die Komplikationen aus, die eine Affäre mit ihrem Boss mit sich bringen würde.
Vergangenen Sommer hatte sie sich schon einmal überlegt, was sie für Dillon anziehen sollte. Er hatte sie ohne jegliche Vorwarnung angerufen, um ihr einen Job anzubieten – fünfzehn Jahre nachdem er in ihrem Zimmer gesessen und von den ethischen Grundsätzen des Hackens gesprochen hatte. Daraufhin hatten sie sich im Shelbourne Hotel getroffen und sich bei Kaffee und Sandwiches gegenseitig gemustert.
Noch gut konnte sie sich an ihr prickelndes Gefühl erinnern. Der leidenschaftliche, gutaussehende Junge hatte sich zu einem attraktiven, selbstbewussten Mann entwickelt, der anscheinend mehr als mit sich zufrieden war. Die alte Begeisterung, die er ansonsten gut zu verbergen wusste, funkelte nur gelegentlich in seinem Blick auf. In seiner Gegenwart war sich Harry wieder wie eine Dreizehnjährige vorgekommen, die kaum von den Sandwiches zu nehmen wagte, aus Angst, ein Stück Salatblatt könnte ihr zwischen den Zähnen hängenbleiben.
Ihr Laptop piepte. Wieder sah sie auf ihre E-Mails. Ihr Rückgrat sirrte. Eine neue Nachricht.
Du bist ein vernünftiges Mädchen, Harry. Dein Daddy würde es dir nicht danken, wenn du die Polizei einschalten solltest. Es gibt eine ganze Menge Fragen zum Sorohan-Deal, die er nicht beantworten möchte.
Wir machen es so, wie du es vorgeschlagen hast. Ich bekomme mein Geld und du dein Leben zurück.
Aber enttäusch mich nicht, Harry. Dein Vater hat ein doppeltes Spiel mit mir getrieben. Und es wäre mir sehr unangenehm, wenn du das Gleiche machen solltest. Sei klug. Andernfalls werden du und alle, denen du nahestehst, in Gefahr geraten.
Zum Geld werde ich Anweisungen schicken.
Der Prophet
Harrys Handflächen waren feucht, ihr Atem ging flach. Hatte ihr Plan wirklich funktioniert? Fast widerwillig loggte sie sich in ihr Online-Konto ein und überprüfte ein weiteres Mal den Kontostand.
Sie betrachtete die Zahlen und zwinkerte. Dann aktualisierte sie die Seite und betrachtete sie ein weiteres Mal. Genau wie vorher. Ihr wurde schwindelig, und sie hörte fast auf zu atmen.
Jetzt siehst du mich, jetzt siehst du mich nicht.
Das Geld war fort.
[home]
29
W as soll das heißen, das Geld existiert gar nicht?«, fragte Harry.
Den Hörer gegen das Ohr gepresst, ging sie im Wohnzimmer auf und ab.
»Es muss existieren. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen.«
»Was Sie gesehen haben, war leider ein Fehler unserer Banksoftware.« Sandra Nagle gab sich ausgesprochen höflich. »Ich habe es mir soeben von unserem technischen Support bestätigen lassen. Einige Tage lang scheinen unsere Online-Systeme Ihren Kontostand falsch angezeigt zu haben.«
»Falsch angezeigt? Jemand hat am Freitag zwölf Millionen Euro auf mein Konto überwiesen. Sie haben die Transaktion selbst gesehen.«
»Ja, aber das war leider nicht richtig.«
»Nicht richtig? Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass diese Transaktion nie stattgefunden hat.« Kühl und schneidend kam Sandra Nagles Antwort, als hätte sie einen Haufen Stecknadeln im Mund. »Das wird durch unsere Aufzeichnungen zweifelsfrei bestätigt. Es gab nie eine Überweisung über diesen Betrag auf Ihr Konto.«
Harry blieb stehen. Ihre Muskeln fühlten sich steif an. »Sie erzählen mir also, die zwölf Millionen Euro waren nur ein Softwarefehler? Es war gar kein richtiges Geld?«
»Genau.« Sandra schien sehr
Weitere Kostenlose Bücher