Passwort: Henrietta
nur zu bekommen.
Dann erinnerte sie sich an das vage, nagende Gefühl.
»Es gibt wirklich was, wobei du mir helfen kannst«, sagte sie. »Könntest du mir den Bericht mailen, den du für Sheridan zusammengestellt hast?«
»Gibt es ein Problem damit? Dillon hat mir die Ergebnisse deines Pen-Tests geschickt, war alles ziemlich eindeutig.«
»War es auch. Am Bericht gibt’s sicherlich nichts auszusetzen, ich wollte nur ein paar Sachen nachsehen.«
»Okay.« Imogen verschränkte die Arme und tappte mit dem Fuß. »Und in der Zwischenzeit – was willst du als Nächstes tun?«
»Ich bin offen für alle Vorschläge.«
»Quatsch. Du weißt ganz genau, was du zu tun hast.«
Harry schwang die Beine zu Boden. »Ich werde nicht zur Polizei gehen, und du auch nicht. Ich habe dir gesagt …«
»Ich weiß, ich weiß. Aber wenn du mich fragst, der Straferlass deines Vaters ist das Risiko nicht wert, das du hier eingehst.«
»Hör zu …«
Imogen wischte ihren Einwand beiseite. »Ich habe nicht gesagt, dass du zur Polizei gehen sollst.«
»Ach?«
»Liegt doch auf der Hand, oder? Du musst deinen Vater besuchen.«
Harry ließ sich wieder gegen die Lehne zurückfallen und schloss die Augen. Sie verspürte den kindischen Drang, die Finger in die Ohren zu stecken und laut vor sich hin zu summen.
»Ich weiß, die Beziehung zu deinem Vater ist kompliziert«, fuhr Imogen fort.
Kompliziert traf es nicht ganz. Harry wartete, dass Imogen weiterredete. Als nichts mehr von ihr kam, schlug sie die Augen auf.
Doch Imogen starrte nur an ihr vorbei zur anderen Seite des Raums. »Hast du die Tür nicht verschlossen?«
Harry fuhr herum.
Ashford stapfte durch das Büro auf sie zu.
»Einer meiner Angestellten ist letzte Nacht bei einem Brand ums Leben gekommen.«
Ashford schloss hinter sich die Tür zu Dillons Büro und fuhr fort: »Sie haben ihn kennengelernt. Felix Roche.«
»Das tut mir leid.«
Harry spielte auf Zeit, ließ sich auf dem Sessel hinter Dillons Schreibtisch nieder und bedeutete Ashford, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Der psychologische Effekt war ein wenig zu offensichtlich, aber sei’s drum. Sie hatte es bitter nötig, den Eindruck zu vermitteln, als hätte sie alles im Griff.
Ashford setzte sich, seine Coco-der-Clown-Frisur wollte so gar nicht zu seinem Anzug passen. »Und Ihr Unfall, habe ich erfahren, war wesentlich gravierender, als Sie mir weismachen wollten.«
Harry stutzte. »Wie haben Sie …«
»Jude Tiernan hat es erwähnt. Er hat mich wegen Felix angerufen. Und dann haben wir uns ein wenig über Sie unterhalten.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ sie nicht aus den Augen.
Dieser verdammte Jude. Wie viel hatte er ihm erzählt? Und warum hatte Ashford sie aufgesucht? Sie erinnerte sich an den silbernen Jaguar, den sie hinter sich gesehen hatte.
»Woher wussten Sie, dass ich hier bin?«, fragte sie.
Er zögerte. »Ihre Mutter beschwert sich oft, dass Sie zu viel arbeiten, dass Sie an den Wochenenden nie zu Hause sind. Ich habe es einfach probiert.«
»Haben Sie mit meiner Mutter über diese Sache geredet?«
»Großer Gott, nein, es würde mir nicht im Traum einfallen, sie zu beunruhigen.« Er richtete einen ernsten Blick auf sie. »Stattdessen mache ich mir an ihrer Stelle Sorgen.«
Harry stieß sich vom Schreibtisch ab und verschränkte die Arme. »Dafür besteht wirklich kein Anlass.«
»Ich denke doch. Sie geraten da in Dinge, die Sie nichts angehen.«
Das erstaunte sie. »Das Gleiche könnte ich über Sie sagen.«
»Einverstanden. Aber die Folgen für Sie können sehr viel schlimmer sein.«
»Was hat Jude Ihnen alles erzählt?«
»Ich habe darauf gedrängt, die Einzelheiten über Ihren sogenannten Unfall zu erfahren. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Harry musterte seinen gütigen Gesichtsausdruck und die freundlichen Basset-Augen. Mit den flauschigen Haarbüscheln zu beiden Seiten des Kopfs hätte er jederzeit als Großvater durchgehen können.
»Er hatte kein Recht, Ihnen irgendwas zu erzählen«, sagte sie.
Ashford wirkte nachdenklich, dann sagte er: »Vor mehreren Jahren ist ein anderer meiner Angestellten auf tragische Weise ums Leben gekommen. Bei einem Autounfall in der Nähe des IFSC .«
Harry spannte die Kiefer an, sagte aber nichts.
»Erst Jonathan, jetzt Felix«, fuhr Ashford fort. »Und laut Jude hat jemand versucht, Sie vor einen Zug zu stoßen.«
»Das ist eine ziemlich gewagte Schlussfolgerung, meinen Sie nicht auch?« Sie versuchte, so
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