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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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Jemanden, der ihr nicht nur einfach sagte, sie solle ihren Vater besuchen?
    Sie dachte an Amaranta, doch von ihr würde sie nur eine ganze Reihe herrischer Anweisungen bekommen. Ihre Mutter kam nicht in Frage. Miriam wollte von vertraulichen Gesprächen nichts wissen. Jedenfalls nicht mit ihr.
    Sie trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad und fädelte sich in den Verkehrsstrom ein, der sie nach Süden, zu ihrer Wohnung führen würde. Dann traf sie eine Entscheidung. Sie schob sich quer über zwei Fahrspuren und schlug wieder die Richtung nach Norden ein, zurück in die Stadt. In weniger als zehn Minuten stand sie vor der roten georgianischen Tür, die zum Büro von Lúbra Security führte.
    Als sie die Straße überquerte, erinnerte sie sich daran, das Handy wieder einzuschalten. Piepend verkündete es, dass sie drei weitere Anrufe von Jude verpasst hatte. Was zum Teufel wollte er von ihr? Sie schob das Handy in die Tasche. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war ein Plausch mit einem Banker, der wunderbar in das Profil des Propheten passte.
    Sie zog ihre Büroschlüssel heraus, sperrte die Tür auf und ging an der verwaisten Rezeption vorbei durch die Glastüren, die zum Hauptraum führten. Ihr Blick schweifte durch das Büro. Dillons Firma nahm das gesamte Erdgeschoss des restaurierten georgianischen Hauses ein. Das Summen der Laptops erfüllte den gesamten Raum, auch wenn die Tische nicht besetzt waren. Die gepolsterten Trennwände zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen erinnerten sie plötzlich an das Call-Center der Sheridan Bank.
    Sie runzelte die Stirn. Da war es wieder, dieses nagende Gefühl, das ihr sagte, irgendwas sei noch nicht ganz erledigt. Sie nahm sich vor, unbedingt den Sheridan-Bericht zu überprüfen.
    Harry eilte zu Dillons Büro, einem mit Glaswänden abgetrennten Bereich in der Ecke. Es war leer. Daneben stand ein großer Schreibtisch, der einzige im ganzen Raum, an dem jemand saß.
    »Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finden würde«, sagte Harry.
    Imogen sah auf, ihre Augen wurden groß in ihrem zierlichen Gesicht. Zwei Pferdeschwänze flatterten wie Schmetterlingsflügel zu beiden Seiten und verstärkten noch das Bild von einem Chihuahua.
    »Harry! Hab dich gar nicht reinkommen hören.« Sie setzte bereits zu einem Lächeln an, bis sie Harrys Gesicht sah. »Was ist denn mit dir passiert?«
    Sie hüpfte von ihrem Stuhl auf, schob Harry energisch auf den nächsten, stellte sich vor sie, die Hände in die Hüften gestemmt, und inspizierte die Schrammen in ihrem Gesicht. Neben Imogens zierlicher Gestalt kam sich Harry ständig wie ein Holzfäller vor, selbst wenn sie wie jetzt vor ihr saß.
    »Schau dich an, wie du nur aussiehst!«, sagte Imogen.
    Harry lächelte über den bemutternden Tonfall. »Ist nicht so schlimm, wie es scheint.«
    »Spar dir das. Hattest du einen Unfall?«
    »So in der Art.«
    Harry spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten. Sie blinzelte sie sofort weg. Sie war es nicht gewohnt, bemuttert zu werden.
    »Komm schon, Harry, raus mit der Sprache!«
    Der Aussicht, ein geneigtes Ohr zu finden, konnte sie nur schwer widerstehen. So sprudelte es aus Harry nur so heraus, sie erzählte alles, was geschehen war, vom desaströsen KWC –Meeting über Felix’ Tod bis zu ihrem Deal mit dem Propheten. Imogen hörte zu, ohne sie zu unterbrechen; keine Fragen, kein melodramatisches Getue.
    Nachdem Harry fertig war, saßen sie eine Weile schweigend zusammen.
    »Jemand hat dich wirklich vor den Zug gestoßen?«, fragte Imogen schließlich.
    »Es war ein langsamer Zug. Nur ein paar Abschürfungen.«
    »Großer Gott, Harry, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber ich bin froh, dass du hier bist.« Sie hielt inne. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«
    Harry raffte sich zu einem schwachen Lächeln auf. »Du hast gerade mit deinem Freund Schluss gemacht. Du arbeitest immer sonntags, wenn du solo bist.«
    Imogens trübselige Miene, die der letzte Satz bei ihr hervorrief, wurde schnell wieder ernst. »Du hättest früher zu mir kommen sollen, ich hätte dir helfen können. Ich hätte in ein paar Minuten KWC für dich geknackt.«
    Harry lächelte. Das Bemutternde wich grundlegenderen Hacker-Instinkten. Sie zog die Beine auf den Stuhl und schlang die Arme um sich. Ihr war warm, sie fühlte sich schläfrig und kam sich wie ein Kleinkind vor, das sich auf seine heiße Schokolade vor dem Zubettgehen freute. Imogens Ratschläge waren nicht immer vernünftig, aber es tat schon gut, sie

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