Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passwort: Henrietta

Passwort: Henrietta

Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
Vom Netzwerk:
mein Honorar dann gestiegen.«
    Sie hörte den anderen die Treppe heruntertrampeln. Der Lichtstrahl verschmälerte sich, als die Tür zum Apartment hinter ihm langsam zufiel. Harry beugte sich vor. Noch eine Sekunde, und es würde dunkel genug sein, um nach dem Umschlag zu greifen. Aber der andere war zu schnell für sie. Er musste auf den Lichtschalter an der Wand gedrückt haben, denn plötzlich war der gesamte Treppenabsatz in Licht getaucht.
    Sie hielt die Luft an. Intuitiv zählte sie die Sekunden, während sie den beiden zuhörte. Wie absurd, in einer ekelerregenden Toilette zu kauern und zwei Fremde zu belauschen, die sich darüber beharkten, wie viel es kosten würde, wenn sie ihr das Leben kaputt machten.
    Neun, zehn, elf. Erneut spähte sie durch den Türspalt. Quinney konnte auf den Mann, der sich vor ihm aufgebaut hatte, heruntersehen, der Vorteil seiner Größe schien ihm bei ihrem Streit aber nicht sonderlich zu helfen. Den anderen Typen konnte sie noch immer nicht richtig erkennen.
    Sechzehn, siebzehn, achtzehn. Sie spannte die Finger und zählte weiter. Die beiden schienen eine Art Übereinkunft erzielt zu haben und allmählich zum Ende zu kommen.
    Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Harry schluckte, dann, mit einer Hand auf die feuchten Kacheln gestützt, schob sie langsam die andere Hand durch den Türspalt.
    Achtundzwanzig, neunundzwanzig, dreißig.
    Der Treppenabsatz fiel in Dunkelheit. Beide Männer fluchten. Im gleichen Augenblick schoss Harrys Hand vor und packte den Umschlag. Sie presste ihn an die Brust und kauerte sich gegen die Wand. Beide Männer verharrten kurz regungslos in der Finsternis, zwei Sekunden später hatte einer von ihnen den Lichtschalter gefunden. Der Herzschlag dröhnte Harry in den Ohren, und es kostete sie einige Mühe, nicht laut aufzujapsen.
    Die Männer gingen an ihr vorbei zum nächsten Treppenabsatz, wo sie sich verabschiedeten. Quinney stieg hinunter zum Eingang, während der andere sich umdrehte und wieder zu seinem Apartment hochtrottete. Als er an der Toilettentür vorbeikam, erhaschte Harry kurz sein Gesicht.
    Sie kannte ihn, bestimmt. Sie hatte sein Foto in den Zeitungsarchiven gesehen. Er hatte einige Kilo zugelegt und seinen Anzug gegen ein verdrecktes T-Shirt eingetauscht, aber er war es.
    Er war Leon Ritch.

[home]
    31
      
    H arry schwirrten jede Menge Fragen durch den Kopf, als sie die South Circular Road entlangfuhr.
    Was zum Teufel machte Leon Ritch mit ihrem Kontoauszug? War Quinney der Typ, der ihre Wohnung auseinandergenommen hatte? Vielleicht war er derjenige, der sie vor den Zug gestoßen hatte. Sie hatte seine Stimme nicht erkannt, doch das war unter den gegebenen Umständen auch nur schwer möglich gewesen.
    Eines war klar. Leon hatte ihren getürkten Kontoauszug gesehen und war nun überzeugt, dass sie das Geld hatte. Und jetzt versuchte er, an die Summe heranzukommen.
    Ein kalter Schauer lief Harry über den Rücken, obwohl die Anspannung langsam von ihr abfiel. Sie dachte an Quinneys Plan, ein paar schmutzige Dinge über ihren Freund auszugraben, und überlegte, wen er in dieser Rolle sah. Sie hatte in den vergangenen Tagen einige Zeit mit Jude und mit Dillon verbracht; für einen Außenstehenden mochte es durchaus so aussehen, als wäre sie mit einem von ihnen liiert. Dann musste sie über sich selbst lächeln. Klar, Dillon hatte die Nacht bei ihr verbracht. Was ihn vermutlich zum wahrscheinlichsten Kandidaten machte.
    Sie hätte Quinney folgen sollen, überlegte sie, während sie sich durch den Verkehr schlängelte, aber dazu hatte sie viel zu viel Angst gehabt. Außerdem war er wahrscheinlich der weitaus bessere Überwachungsexperte. Er musste sie seit Tagen beschattet haben.
    Und tat es vielleicht noch immer.
    Ihr Blick ging zum Rückspiegel. Unmittelbar hinter ihr befanden sich ein schwarzer Fiesta und dahinter ein silberner Jaguar. Fuhr nicht Ashford einen Jaguar? Sie krampfte die Finger ums Lenkrad. Die Innenstadt war voller Luxuswagen, es musste nichts zu bedeuten haben. Versuchsweise wechselte sie die Fahrbahn, keiner der beiden Wagen folgte ihr. Als sie rechts in die Harcourt Street einbog, fuhr der Fiesta an ihr vorüber, und der Jaguar verschwand hinter einem Lieferwagen.
    Harry versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, aber die Fragen und Möglichkeiten sirrten ihr durch den Kopf, bis sich alles vor ihr zu drehen begann. Was, wenn sie jemanden brauchte, mit dem sie reden, dem sie sich anvertrauen konnte?

Weitere Kostenlose Bücher