Passwort: Henrietta
ihr keine Ruhe lassen. Sie dachte an die Achtundvierzig-Stunden-Deadline und das Geld, das nicht da war. Sie dachte an ihren Vater, der darauf wartete, dass sie ihn vom Gefängnis abholte.
Zum Teufel mit ihm. Warum hatte er ihr nicht gesagt, wo das Geld lag? Auf irgendeiner anonymen Bank, das war alles, was sie wusste. Wobei es ihr auch nicht sehr viel weiterhelfen würde, wenn sie wüsste, um welche Bank es sich handelte. Was sollte sie denn machen, sich in ein geheimes Bankkonto auf den Bahamas einhacken? Harry schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Selbst sie konnte unmöglich so was abziehen.
Dann riss sie die Augen auf.
Oder doch?
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37
W ie ist es in Kopenhagen?«
»Kalt«, sagte Dillon.
Harry lächelte ins Telefon. »Das hast du davon, wenn du Skandinavien erobern willst.«
Er lachte. »Wo bist du?«
Sie warf einen Blick auf die lange graue Festung, die sich über den gesamten Arbour Hill erstreckte und vor deren düsterer Fassade sich ein in der Sonne glitzernder metallener Gitterzaun entlangzog.
»Im Wagen«, antwortete sie.
Das zumindest stimmte. Sie hatte soeben vor dem Gefängnis angehalten, als Dillon anrief. Sie starrte auf die schmalen, hohen, gebogenen Fenster im Haupteingang, die aus Dutzenden kleinen rechteckigen Glasscheiben bestanden und gut und gern auch in eine Kathedrale gepasst hätten, wären die Gitter nicht gewesen.
Sie wandte sich ab. Dillon würde ihr sagen, sie solle zur Polizei gehen, aber das konnte sie nicht. Mochte ihr Vater noch so viele Schwächen haben, sie wollte es keinesfalls darauf ankommen lassen, dass er hinter diese Mauern zurückgeschickt wurde.
»In ein paar Tagen werde ich wieder da sein«, sagte Dillon. »Vielleicht füllst du ja dein Sonntagabendfach ein bisschen auf, dann könnten wir uns einen netten Abend machen.«
Harry rollte mit den Augen, beschämt darüber, dass er sich doch tatsächlich an ihre Küchenschublade mit deren Durcheinander erinnerte.
»Klingt toll«, sagte sie. »Bring einen Karton mit echtem dänischen Bier mit, und du hast dein Date.«
Date! Warum hatte sie Date gesagt? Deal, es war ein Deal, das wäre es gewesen. Sie lehnte sich gegen die Kopfstütze und schloss die Augen. Sie wollte ihn nach ihrer gemeinsamen Nacht fragen und was sie ihm bedeutete, aber es fiel ihr schwer, das in eine beiläufige Unterhaltung einzubauen. Sie schüttelte den Kopf. Zölibatär zu leben hatte auch seine Vorteile.
»Und, wie war der Flug?« Harry wand sich. Als Nächstes würde sie ihn noch nach dem Wetter fragen.
»Ohne besondere Ereignisse. Nur glaube ich, mir ist jemand zum Flughafen gefolgt.«
»Was?« Mit einem Ruck setzte sie sich auf.
»Kräftiger Typ in schwarzer Jacke, Schädel wie eine Billardkugel.«
Quinney. »Klingt ganz nach Leons Kumpel.«
»Habe ich mir auch gedacht. Aber soweit ich weiß, ist er nicht mit an Bord gegangen.«
»Scheiße. Tut mir leid, dass du da mit hineingezogen worden bist.«
»Ich hab dir doch gesagt, mach dir um mich mal keine Sorgen. Und was will er schon machen? In meiner Vergangenheit rumwühlen, um was zu finden? Da gibt es nichts, womit er dich drankriegen könnte. Er wird mit leeren Händen zu Leon zurückkehren.«
»Ich hoffe es.«
»Vergiss es. Ich habe es schon vergessen.«
Harry biss sich auf die Lippen. Sie war sich nur allzu bewusst, dass sie ihm einiges vorenthielt. Alte Gewohnheiten ließen sich nicht über Nacht ändern. Sie holte tief Luft.
»Ich habe heute Morgen meinen Vater besucht.«
»Wow.« Es folgte eine Pause. »Na, freut mich. Wie lief es?«
»Nicht gut. Er will mir nicht helfen. Vielleicht können wir darüber reden, wenn du zurück bist.«
»Ja, gern.« Eine weitere Pause. »Hör zu, ich muss noch duschen und mich frisch machen, ich ruf dich später noch mal an. Wenn es okay ist?«
Bei der Vorstellung, ihn unter der Dusche zu sehen, lächelte sie. »Ja, schon okay. Und vergiss das dänische Bier nicht.«
Nachdem Dillon aufgelegt hatte, kontrollierte sie ihren inneren Druckmesser: Bedürfnis nach ihm gleich null, Lust gleich einhundert. Schon besser.
Sie sah auf die Uhr. 13:45 Uhr. Bald sollte ihr Vater rauskommen. Die Sonne brannte durch die Windschutzscheibe und heizte die Sitzbezüge auf Kochtemperatur auf. Die Regenwolken hatten sich entleert, waren weitergezogen und hatten einen klaren, blauen Himmel zurückgelassen. Harry kurbelte die Seitenscheibe herunter und sah die Straße rauf und runter. Arbour Hill war eine einsame Gegend mit wenig
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