Pastetenlust
von
Budgetüberschüssen.” Sein meckerndes Lachen füllte den Raum und bestätigte das
Gerücht, dass der Chef über seine Witze immer am meisten lachte.
„Wir haben aber keine Überschüsse, sondern wir kämpfen um ein
ausgeglichenes Budget”, funkelte er Schneckenburger an. Der sich überlegte, ob
die Vorfreude auf den abendlichen Champagner nicht etwas verfrüht gewesen war.
„Ein guter Tag beginnt eben mit einem ausgeglichenen Budget,
dass müssten Sie inzwischen doch auch schon wissen. Na ja, Schwamm drüber,
einmal ist keinmal.” Neuerlich meckerte er los.
„Erinnern Sie sich noch, Wellner, wie ich vor zwei Jahren …”
Endlich schaffte es der bereits einige Sekunden gestikulierende Pressemann,
seinen Chef wieder einzubremsen.
„Na, auch egal. Sie wissen schon”, der Minister konzentrierte
sich wieder auf seine Vorlagen. „Also, was können wir denn der Meute jetzt
vorwerfen? Neben der bevorstehenden Anklage dieser Frau Waldbauer.”
„... meister”, flüsterte der Pressesekretär. Der Minister
fand diese Anrede zwar ungewöhnlich, aber nicht uninteressant. Auf jeden Fall
gefiel sie ihm.
„Ja mein Freund”, säuselte er mit mentorenhafter Stimme, „was
gibt es.”
„Die Frau heißt Marion Waldmeister. Nicht Waldbauer, sondern
Waldmeister.”
„Bauer oder Meister, das ist doch völlig egal”, die gute
Laune des Ministers drohte wieder zu kippen, „Hauptsache, wir haben bis
spätestens Montag einen Schuldigen.”
Seit er sich erinnern konnte, hatte Schneckenburgers Familie
und auch er die Partei des Ministers gewählt und nie eine ihrer gerade in
letzter Zeit nicht immer leicht verständlichen Entscheidungen ernsthaft in
Frage gestellt.
In diesem Moment aber schämte er sich dafür, bisher einer
Partei so bedingungslos vertraut zu haben, die solche Leute mit
Spitzenfunktionen betraute. Und zu seinem größten Erstaunen schämte er sich
kein bisschen dafür, dass er sich schämte.
„Wir sind bemüht, den oder
die Schuldigen so rasch wie möglich zu ermitteln und festzunehmen. Egal, ob im
Fall Lettenberg oder in der BIGENI-Erpressung. Und ich hoffe, dass wir das bis
Montag schaffen. Aber einen Schuldigen um jeden Preis, nur um den Medien
jemanden vorwerfen zu können, wird es nicht geben, fürchte ich.”
Schneckenburger wollte sich schon umsehen, wer so kühn war,
diese richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt zu sagen. Das heftige Herzklopfen
in seinem Hals machte ihm plötzlich klar, dass er selbst dieser unerschrockene
Idiot gewesen war.
„Für einen Rechtsstaat wäre das unwürdig”, fügte er trotzig
hinzu. Jetzt war ohnehin schon alles egal.
Die Skala der Blicke, die ihn trafen, reichten von entsetzt
bis belustigt, die Sektionschefin verschluckte sich sogar und musste
minutenlang gegen ihren Reizhusten ankämpfen. Der Minister starrte den aufmüpfigen,
unbotmäßigen Mitarbeiter nachdenklich an. Endlich unterbrach er das unheilvoll
über dem Raum lastende Schweigen. „Sie haben natürlich völlig recht , und ich danke Ihnen, dass Sie mich so engagiert
darauf aufmerksam gemacht haben, mein lieber Schneckenberger.”
„...burger, Herr Minister, ...burger”, reflexartig wollte der
halb erstarrte Sekretär seinen Chef auf den Versprecher aufmerksam machen.
„Ach was, Burger oder Berger, das ist doch egal. Auf den
Menschen kommt es an.” Der Minister stand auf, trat zu Schneckenburger, nicht
...berger, und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Das ist ein Mann, der mir nicht nach dem Mund redet, sondern
engagiert seine Meinung sagt.” Er drehte sich zu den anderen um. „Nehmen Sie
sich ein Beispiel und zeigen Sie in Zukunft mehr Courage, mehr Mut zur eigenen
Meinung.” Er blickte wieder zum Ministerialrat. „Sie werden es noch weit bei
uns bringen, nur so weiter mein Freund.”
Miki Schneckenburger merkte, wie sich seine persönliche
Vertrauenskrise zur Partei des Ministers wieder in Nichts aufzulösen begann.
Die Chance, heute noch eine Flasche Moet zu trinken, vielleicht sogar zwei, war
in den letzten Sekunden wieder rapide gestiegen.
Plötzlich machte sich sein, Gott sei Dank auf Anklopfen
eingestelltes Handy bemerkbar. „Entschuldigen Sie, Herr Minister, ein
dringender Anruf in der Sache Lettenberg.”
Mit großzügiger Geste gestattete der Hausherr, dass sich der
Ministerialrat in eine ruhige Ecke zurückzog.
Es war seine Frau Monika. Nein, Entschuldigung, nur ein
Scherz. Schneckenburger hatte zwar so
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