Pastetenlust
kleinen
Logenbank und damit sozusagen in der dritten Reihe sitzen geblieben. Mit
mindestens zwei Metern Abstand zur Witwe. Aber, es war gut zu wissen, dass man
sich auf Aigner verlassen konnte.
„Danke Franca, Sie haben etwas gut bei mir”, bedankte er
sich, „wir hören wieder voneinander.”
Dann versuchte er nochmals, Wallner oder Miki Schneckenburger
telefonisch zu erreichen. Der Inspektor schien nach wie vor vom Erdboden
verschwunden zu sein, aber Miki meldete sich nach mehrmaligem Klingeln.
„Alo”, nuschelte der mittelschwer betrunkene Ministerialrat
in den Hörer, „hier ich, wer da?” Er kicherte blöd vor sich hin, ganz und gar
unministerialratsmässig.
Palinski konnte der Versuchung nicht widerstehen. „Ich bins,
Ihr Minister”, schnauzte er in einem Tonfall los, vom dem er hoffte, dass er
dem des Ministers ähneln würde. „Schönen Abend, ich erwarte Sie in einer halben
Stunde im Amt.”
Er konnte den Freund förmlich vor sich sehen. Wie ein Ruck
durch den Alkoholgetränkten, in einen Hausmantel gehüllten Körper des gefoppten
Mannes ging und er gleichzeitig um möglichst nicht angesäuselt klingende Worte
rang.
„Jawohl”, Schneckenburger wollte sich schon verbal auf die
Knie werfen, als er das irgendwie vertraut klingende, verhalten gackernde
Lachen vernahm. „Bist du das, Mario?” versuchte er vorsichtig sein Glück, das
er kurz darauf kaum fassen konnte. „Na so was, stell dir vor, das wäre wirklich
der Chef gewesen. Und das in meinem Zustand.” Der Schock hatte ihn spürbar
ernüchtert, denn er klang wieder völlig normal. „Was willst du eigentlich um
diese Zeit von mir? Wenn es nicht wirklich wichtig ist, bin ich echt sauer.”
Palinskis Bericht über die von Franca Aigner entdeckten,
offensichtlich eindeutigen Beweise für Martina Tesslers Schuld überquerten
diese Latte spielend. Dementsprechend war der Herr Ministerialrat nicht nur
nicht sauer, sondern geradezu euphorisch.
„Damit ist ja alles klar. Das wird den Chef aber freuen.
Wahrscheinlich wird er mich sogar zu einem Glas ›Chateau Petrus‹ einladen”
begann er zu träumen.
Im Gegensatz zu seinem Freund wurde Palinskis Stimmung durch
den kleinen Zweifel getrübt, der ihn seit der ersten Pause plagte. Die ganze
Sache war zu glatt, wirkte wie inszeniert. Die Mörderin gestand eine Tat, die
sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begangen hatte. Ein Geständnis pro
futuro war doch bestenfalls als Absichtserklärung zu werten. Der eigentliche
Beweis fehlte nach wie vor. Auch wenn er zugeben musste, dass derzeit alles auf
Martina Tessler hinwies. Dennoch, irgendwo war ein feiner Bruch in der Logik
der scheinbar lückenlosen Beweiskette. Palinski wusste bloß noch nicht, wo.
Ein Klingeln deutete an, dass die zweite Pause zu Ende ging.
Obwohl er nicht wusste, ob das auch wirklich klug war, beschloss er, Sophie
Lettenberg zu informieren. Wahrscheinlich, um ihre Reaktion auf die Nachricht
zu beobachten.
Die Witwe und das Paar mit dem Namen Kleinsüß hatten bereits
wieder Platz genommen. Palinski wollte es so kurz wie möglich machen.
„Es sind Beweise aufgetaucht, die darauf hinweisen, dass
Martina Tessler Ihren Mann ermordet hat oder zumindest maßgeblich daran
beteiligt war.” Palinski sagte das in dem Tonfall, in dem die Wetternachrichten
im Fernsehen vorgetragen werden. Also sachlich und unbeteiligt. Mit einem
Anflug an Bedauern, dass es möglicherweise am Nachmittag zu Schauern kommen und
daher nichts mit dem ungetrübten Badevergnügen werden würde.
Die Reaktion der drei Personen hätten unterschiedlicher nicht
sein können. Herr und Frau Kleinsüß, die die bekannte Turnierreiterin natürlich
auch gekannt hatten, reagierten genau so wie man sich die Reaktion auf so eine
Nachricht vorstellt. Erschüttert, entsetzt, verwirrt und hilflos.
Sophie Lettenberg hingegen zuckte mit keiner Wimper. „Das
habe ich irgendwie befürchtet”, stellte sie mit sicherer, klarer Stimme fest.
Fast schien es Palinski, als ob sie so etwas wie Befriedigung
empfand. Aber vielleicht spielte ihm bloß seine Voreingenommenheit einen
Streich. Eine verdammt kaltschnäuzige Person, diese Witwe, wie sie mit ihrer
nächsten Äußerung eindrucksvoll bestätigte.
„Aber das spricht doch nicht dagegen, lieber Herr Palinski,
dass wir meine Freunde nach der Oper zum Essen einladen?”
Den halbherzigen Protest der beiden ›Kleinen Süßen‹, bei
denen der Hunger inzwischen wieder die
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