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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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zerlumpten Männer im Dienste des Phantoms. BibleMac dagegen hatte sich eine Art Zärtlichkeit bewahrt. Er merkte, wenn jemand in echten Schwierigkeiten steckte, er erkannte, wenn jemand in Not war. Und er reagierte entsprechend. Er hatte bereits mehrfach das eine oder andere obdachlose Kind in die Fournier Street gebracht, wo es zu essen und ein wenig Geld bekam und wo man ihm weiterhalf.
    Er hatte bei Banküberfällen mit geladenen Revolvern auf Bankangestellte gezielt. Er hatte hoch oben zwischen Dächern und Schornsteinen auf die zerlumpten Männer des Phantoms geschossen. Er war schon oft von den Buckland Corps Kadetten und Polizeioffizieren verfolgt worden. Man hatte ihn steckbrieflich gesucht und sein Konterfei war auf Plakaten und Aushängen zu sehen gewesen. Aber er hatte noch nie jemanden umgebracht und man hatte ihn nie geschnappt. Es war eine schlimme Sache, in Pastworld geschnappt zu werden.
    In der Halloweennacht hatte er sich unter die späten Partybesucher und Nachzügler gemischt. Meistens war er elegant und ansehnlich gekleidet, wie ein junger Mann der Großstadt. Aber heute trug er seine Metzgerburschenmütze und dieselbe abgerissene »Diebeskluft«, die er schon seit ein, zwei Tagen anhatte. Tatsächlich trug er sie seit dem Tag, an dem das Phantom ihn beinah erkannt und aufgeschlitzt, ihn jedoch aus irgendeinem Grund nicht erkannt hatte. Und wehe, wenn Mr Leighton herausfand, dass das Phantom sich wieder auf den Straßen herumtrieb. Das würde ihm überhaupt nicht gefallen.
    Ein paar Betrunkene torkelten den Hügel hinunter auf den großen Eisenbahnknotenpunkt Clapham zu. BibleMac mischte sich zwischen sie, wie ein Wolf in eine Schafherde. Er schlüpfte durch die Gruppen fröhlicher Menschen, sah sie prüfend an, leerte Taschen, zog Armbanduhren und Ringe ab und stopfte alles in seine eigenen Taschen. Leichtfüßig lief er zwischen ihnen her und dann bog er rasch in eine ruhige Seitenstraße ein. Sie war dunkel und menschenleer und die trübe flackernden Gaslaternen standen so weit auseinander, dass es zwischen den Lichtinseln lange dunkle Abschnitte gab. Das war der perfekte Fluchtweg. Mit gesenktem Kopf machte er schnelle große Schritte. Vor ihm ging eine andere Gestalt. Ein Junge ungefähr gleichen Alters, gut angezogen. BibleMac ging so leise er konnte ein paar Schritte hinter ihm her. Er war nicht besonders scharf darauf jemanden in seinem Alter zu beklauen. Ein Junge, der vielleicht stärker war und schneller laufen konnte als er selbst. Er holte ihn ein und sah ihn von der Seite an. Schwarze Haare, weißes Gesicht, dachte er. Der Junge tat so, als bemerke er BibleMac nicht, und ging einfach weiter. Sein Gesicht war so weiß wie eine der Halloween-Totenkopfmasken, die überall auf den Straßen zu sehen waren. BibleMac beugte sich vor und berührte ihn am Arm. Der Junge blieb wie angewurzelt stehen. Er blickte nach unten, sein Kopf war tief im Mantelkragen vergraben.
    »Haste ’ne Münze für mich oder zwei, Kumpel?«, fragte BibleMac mit seiner fröhlichsten Stimme.
    Schweigend starrte der Junge ihn an.
    »Biste in Ordnung, Kumpel?«, fragte BibleMac. »Du siehst aus, als hättest du ’nen blutigen Geist gesehen. Obwohl, das ist ja heute Abend nicht schwer, es wimmelt ja nur so von ihnen.« BibleMac sah die Straße hinunter, wedelte zur Bestätigung seiner Aussage mit den Armen und imitierte die vermeintlichen Bewegungen von Geistern.
    Der Junge nickte, zu mehr schien er sich nicht aufraffen zu können.
    »Was ist nun mit ’nem bisschen Kleingeld, Kumpel?«, sagte BibleMac vergnügt.
    »Kleingeld?«, wiederholte der Junge.
    »Du siehst so aus, als hättest du was dabei, Kamerad.« Er streckte die Hand aus und schüttelte den eleganten Mantel des Jungen. Der Junge machte einen Satz rückwärts, als hätte man auf ihn geschossen.
    »Ooh, nun mal ganz ruhig, ich tu dir doch nichts.« Lächelnd und mit erhobenen Armen, die leeren Handflächen nach außen gedreht, machte BibleMac wieder einen Schritt auf ihn zu.
    »Du musst ein Gaffer sein«, sagte er. »So fein wie du angezogen bist …?«, fügte er fragend hinzu.
    Der Junge nickte und schaute wieder nach unten.
    »Haste dich bei der Mördertour verlaufen oder was?«, fragte BibleMac und lief rückwärts neben dem Jungen her, der weiter den Hügel hinunterging.
    Der Junge schüttelte den Kopf und blieb erneut auf dem Gehsteig stehen. BibleMac blieb ebenfalls stehen.
    »Kupferpfennige, Sixpence, irgendwelches Kleingeld, Knete, Moos,

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