Pastworld
ist?«
BibleMac stand auf und setzte sein breites, freundliches Lächeln auf. »Tut mir leid, ich bin gerade erst mit diesem armen Kerl hier vom Polizeirevier zurückgekommen, Mr Leighton.«
Leighton kam weiter ins Zimmer hinein. Er trug eine dunkle Weste und ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln, hohem Kragen und weißer Halsbinde. Sein ehemals dunkles Haar und die langen Koteletten waren von Grau durchzogen. Über seine goldgefassten Brillengläser hinweg sah er Caleb an.
»Warum, frage ich mich, braucht dieser mehr oder weniger respektabel aussehende junge Mann Hilfe von Tunichtguten wie Ihnen und mir, Mr. Japhet?«, fragte er gut gelaunt, ging zu einem der Glasstrümpfe und entzündete ein Streichholz. Es knallte leise und sanftes grünliches Licht schien durch den Raum.
»Ich sehe, Sie waren am Brandy«, sagte Leighton und nickte in Richtung der Karaffe auf der Vitrine.
»Entschuldigung, Mr Leighton, ich dachte, er fällt jeden Moment in Ohnmacht«, sagte BibleMac.
»Erzähl mir, was dir zugestoßen ist«, sagte Mr William leise.
Caleb erzählte es ihm wahrheitsgetreu und ließ kein Detail aus.
Die Realität dieser Wahrheit traf ihn plötzlich wie ein Faustschlag in den Magen und er ließ sich nach Luft schnappend auf das Sofa zurückfallen.
»Geben Sie ihm noch ein Glas, Mr McCreddie.« Nach einem oder zwei Schluck Brandy richtete Caleb sich wieder auf.
»Ich wurde von den Männern des Mordes bezichtigt, von denselben, die die eigentlichen Täter waren. Jetzt hängen überall Steckbriefe, die mich mehr oder weniger genau beschreiben.«
»Stimmt«, sagte BibleMac. »In Farringdon hab ich einen gesehen.«
»In dieser Stadt ist eine Anklage wegen Mordes eine sehr ernsthafte Angelegenheit – ich meine, eine Angelegenheit, bei der es um Geld geht. Am besten bleibst du fürs Erste hier bei uns. Interessant, alles höchst interessant«, sagte Leighton.
»Danke, dass Sie mich gerettet haben«, sagte Caleb erschöpft.
»Ich kann Beziehungen spielen lassen, wenn es sein muss«, sagte Leighton. »Ich kann Schmiergeld einsetzen, wenn es sein muss. BibleMac hat mir von deiner misslichen Lage erzählt und dann haben wir unseren kleinen Plan ausgeheckt. Ich weiß sehr genau, was es bedeutet, an diesem Ort ganz allein und verloren zu sein und in welchem Schockzustand du dich befinden musst.«
Caleb schloss die Schlafzimmertür und stieß einen tiefen Seufzer aus. Es war spät, draußen war es dunkel und als er über die Dächer und auf den hohen Kirchturm sah, dachte er: Ich werde Dad nie wiederfinden. Er wird inzwischen tot sein und so kalt wie diese Glasscheibe. Er zog den Kopf hinter den kleinen Baumwollvorhang zurück. Ein einzelner zerlumpter Mann ging langsam am Haus vorbei, sein Kopf steckte in einer Kapuze aus grobem Sackleinen. Er ging die Straße hinunter, ohne ein einziges Mal aufzusehen.
Auf dem Kaminsims brannte ein Nachtlicht. Caleb legte sich ins Bett.
Er konnte nicht schlafen. Er starrte auf die Schatten, die über die niedrige Zimmerdecke wanderten. Vor seinen Augen erschienen weitere zerlumpte Männer. Er sah ganz deutlich, wie sie sich unten auf der Straße versammelten, ihre Gesichter waren entweder durch Kapuzen aus Sackleinen verdeckt oder sie trugen Totenkopfmasken wie die, die er selbst gehabt hatte. Er war ganz sicher, dass er sie verschwörerisch flüstern hören konnte.
Er stand auf und blickte erneut aus dem Fenster. Die Straße war leer. Im Haus gegenüber brannte ein Licht, sonst war außer nassem Kopfsteinpflaster und leichten Nebelschwaden nichts zu sehen. Er legte sich wieder hin und lauschte auf die knackenden und rumorenden Geräusche des Hauses.
Nach einer Weile zwang er sich, die Augen zu schließen. Er sah sofort das Gesicht seines Vaters und hörte ihn deutlich »Lauf!« rufen. Er versuchte, die Sekunden zu zählen, einmal tausend, zweimal tausend, dreimal tausend, wie es ihm beigebracht worden war. Schließlich verlor er den Faden und träumte einen lebhaften Traum, in dem er langsam nach unten fiel. Ein Luftschiff verfolgte ihn. Er landete auf einer steilen Treppe in einem hohen Turm und sprang halb tot vor Angst die Wendeltreppe hinunter, bis er schließlich die Straße mit dem Kopfsteinpflaster erreichte, und dann rannte er und rannte so schnell wie noch nie in seinem Leben. Jetzt wurde er vom Mond verfolgt, von seinem großen, blassen Gesicht, so knochig wie ein Totenschädel. Nebelschwaden schwebten um den Mond herum wie der Umhang um einen Straßenräuber. Tief
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