Pastworld
über dem Kopfsteinpflaster hängend, grinste der Mond hinter ihm her.
32
Flankiert von zwei Kadetten der Buckland Corporation stieg Inspektor Lestrade erneut die Treppen zur Buckland-Hauptverwaltung hoch.
Der Nachtportier stand stramm, als er ihn sah, und salutierte halbherzig. Der Inspektor lief die Haupttreppe hinauf, direkt zum Büro von Abel Buckland. Er bedeutete den Kadetten, draußen zu warten, und öffnete die Doppeltüren.
Mr Buckland saß ganz oben auf einer sehr hohen Treppenleiter und schaute auf seine Miniaturstadt hinunter. Der Raum war fast vollständig dunkel, nur das Modell unter ihm wurde von kleinen Lampen und Lichtern erleuchtet.
Er schaute kurz zur Tür, als sie geöffnet und wieder geschlossen wurde.
»Nun?«, fragte er.
»Guten Abend, Abel«, sagte Inspektor Lestrade. »Ich kann dir berichten, dass wir recht hatten. Bei der Leiche handelte es sich in der Tat um Dr. Mulhearn. Mein Mitarbeiter hat es zweifelsfrei bestätigt. Eine von Jacks persönlichen Bekannten hat die Leiche eindeutig identifiziert.«
Buckland blieb, wo er war, und starrte auf die riesige Spielzeugstadt unter sich, auf die Reihe der kleinen blinkenden Luftschiffe, die im Gänsemarsch über die Stadt flogen, auf die Modelleisenbahnen, die durch die winzigen Vororte schnauften, als würden sie echte Passagiere befördern.
»Ich fürchte, die örtliche Polizei hat deinen Mann verhaftet«, sagte Buckland betrübt. »Schau mal auf meinen Schreibtisch.«
Lestrade ging um das große Modell herum zum Schreibtisch. Die Öllampe brannte hell genug, um die auf einem Hauptbuch aufgestapelten Umschläge erkennen zu können. Obenauf lag ein brauner Umschlag, dessen Klappe geöffnet und von der Schnur befreit worden war.
»Schau hinein«, sagte Buckland.
Darin befanden sich ein offizielles Verhaftungsfoto und das Vernehmungsprotokoll.
»Schau genau hin«, sagte Buckland.
»Nummer 19248«, las der Inspektor, »ein Taschendieb, geständig, in einem Omnibus bei versuchtem Diebstahl verhaftet.«
»Er hat dem diensthabenden Beamten seinen Namen genannt.«
»Ja, hat er, hier steht’s. Oh, ich verstehe, Brown, Vorname Caleb.«
»Brown, Vorname Caleb, ja, das ist er. Du hast jemanden losgeschickt, um den Jungen und seinen Vater zu finden, und was passiert? Die örtliche Polizei steckt einen von den beiden in eine Nackenklammer vor eine ihrer Kameras. Die pure Ironie, findest du nicht auch?«
»Tut mir leid, Abel, wirklich. Ich hatte angenommen …«
»Man sollte nie etwas annehmen. Der Junge ist der Sohn von Lucius Brown, meinem früheren Partner, Mitgründer und Pionier dieser Stadt. Muss ich noch mehr sagen? Caleb Brown befindet sich momentan in ernster Gefahr, genau wie mein kostbarer Gentleman -ich muss ihn retten! Und um ihn zu retten, muss ich ihn zuerst finden. Wir haben eine Chance, endlich eine echte Chance. Dein Mitarbeiter muss unverzüglich informiert werden. Denn siehst du, in all seiner tölpelhaften Inkompetenz hat der örtliche Beamte diesen jungen Caleb Brown ausgerechnet diesem ›offiziellen‹ Gauner William Leighton übergeben – gegen einen Betrag von zwanzig Pfund. Da steht es schwarz auf weiß in bester Polizistenschönschrift, Dauer der Haft, Höhe der sogenannten ›Kaution‹, Adresse, alles. Also lass deinem Mitarbeiter die Informationen zukommen, jetzt sofort.«
»Das werde ich unverzüglich in die Wege leiten. Es tut mir leid …«
»Ich darf dich unterbrechen, Lestrade. Kein Geschwafel, keine Entschuldigungen. Bevor du gehst, wirf hier im Modell einen Blick auf die oberste Spitze des alten Tower 42.«
Der Inspektor blickte auf die Miniaturausgabe des vom Abriss bedrohten Gebäudes, das letzte seiner Art. Es war bereits mit winzigen Abrissankündigungen versehen. Auf der obersten Spitze stand die Figur eines maskierten Mannes im Umhang. In seinen wie zum Triumph erhobenen Händen hielt er einen abgetrennten blutigen Kopf.
»Das Phantom«, sagte Buckland. »Beten wir, dass es nicht dein oder mein Kopf ist, den er dort oben hinterlassen wird.«
33
Am nächsten Morgen wurde Caleb wach, weil jemand sein Zimmer betrat. In seinem benommenen, halb wachen, halb träumenden Zustand dachte er zuerst, er wäre zu Hause und sein Vater wäre hereingekommen. Rasch setzte er sich im Bett auf. Dann holte ihn die Realität ein und er erinnerte sich. Das war nicht sein Vater, das konnte überhaupt nicht sein Vater sein. In seinem Zimmer stand eine bleiche Frau in einem staubigen schwarzen Kleid und
Weitere Kostenlose Bücher