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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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seine sehr weißen wolfsartigen Zähne.
    »Du musst müde sein«, sagte er zu Lucius. »Ich sehe, man hat dir etwas zu essen angeboten, aber du hast es nicht angenommen. War es nicht nach deinem Geschmack? Leider weiß ich zu wenig über dich. Was isst du denn normalerweise? Hast du ein Leibgericht?«
    »Ich hatte keinen Hunger. Ein Mann in meiner Lage denkt nicht an Essen. Wo ist mein Sohn?«
    »Nun, das ist eine gute Frage – und unter diesen Umständen eine ebenso ironische. Ich habe keine Ahnung, wo dieser Junge ist, aber ich wünschte, ich wüsste es. Ich habe große Lust, ihn kennenzulernen. Du und dein Sohn solltet eigentlich beide hier sein, wenn meine Untergebenen nicht alles derart vermasselt hätten. Ich warte schon so lange darauf, euch beide zu treffen. Und diesen anderen natürlich auch.«
    »Was ist mit Jack?«
    Das Phantom spreizte die Finger und zuckte mit den Schultern. »Ein weiterer Fall für die Kriminalstatistik, fürchte ich. Ich habe ihn nach seinem Tod untersucht, weißt du? Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen und in ihn hineingeschaut. Der arme alte Dr. Jack … Er war jedenfalls nicht lange genug auf dieser Welt. Er hatte ein schwaches Herz.«
    Lucius sah den bösartigen jungen Mann an, der ihm stolz mit über der Brust verschränkten Armen gegenüberstand. »Bitte, du wirst meinen Sohn in Ruhe lassen«, sagte Lucius. »Wenn du ihn denn finden solltest. Ihn trifft absolut keine Schuld an alldem.«
    »Niemand ist absolut unschuldig, in meinen Augen jedenfalls. Sieh dir doch nur diese Horden von Menschen an, die hierherkommen und ihre jämmerlichen Schillinge an Mr Buckland und Co. zahlen. Sie essen das billige Essen. Rauchen die billigen Zigarren. ›Oh, lass uns zusehen, wie jemand gehängt wird‹, ›oh, ein schrecklicher Unfalls ›oh, guck mal, George, wie brutal dieser kleine Übeltäter verhaftet wird‹, ›oh, eine echte Amputation und das auch noch mit so einer schmutzigen, authentischen, alten, rostigen Säge‹. Und dann die anderen! Die, die extra meiner Arbeit wegen kommen.« Das Phantom behielt Lucius fest im Blick und seine Augen schienen noch stärker zu leuchten, je länger sein Redeschwall andauerte.
    »Ist das alles, was du in Pastworld siehst?«, fragte Lucius leise. »Keinerlei Errungenschaften, außer gemeiner Kriminalität, Verkommenheit und Profitgier?«
    Das Phantom änderte jetzt die Taktik, seine Augen flackerten. »Sie ist ihrem Vormund, deinem alten Freund Dr. Jack, weggelaufen, stimmt’s? Er hat dir einen Brief geschrieben, nachdem sie ihr Versteck verlassen und sich in die Welt hinausbegeben hat. Dieses tapfere, wunderschöne Mädchen! Sie ist jetzt irgendwo da draußen, weißt du, und treibt sich mit reisenden Gauklern herum. Alles sehr authentisch, da bin ich sicher, aber kaum das, was für sie vorgesehen war, meinst du nicht auch?«
    »Ich persönlich kann nichts dazu sagen, was für sie vorgesehen war. Damit hatte ich nichts zu tun.«
    »Nein, daran zweifle ich nicht. Und ich bezweifle nicht, dass du über keinen von uns Genaueres sagen kannst. Ich finde es schon ziemlich bemerkenswert, dass du tatsächlich hier bist, hier vor mir sitzt, hilflos und mit einem echten, authentischen Strick an einen echten, authentischen Stuhl gefesselt. Ich frage mich, ob du dich jemals vor solch einer Situation gefürchtet hast. Ob du jemals da draußen aus deinem unschuldigen Schlaf erwacht bist, da, wo du wohnst. Wo war das noch mal? Shelley Avenue, stimmt’s? Hast du in kalten Schweiß gebadet in deinem Bett in der Shelley Avenue gelegen, im gemütlichen alten Dichterviertel, und hast an mich gedacht? Hast mein Gesicht vor Augen gehabt und dich davor gefürchtet, was ich mit dir machen würde, während du dem süßen Zwitschern der mechanischen Vögel, oder was es auch immer in deinem sauberen, ordentlichen Garten gibt, gelauscht hast? Und hattest du Angst vor diesem Moment?«
    »Nein, hatte ich nicht. So wichtig bist du für mich nicht.«
    »Ich wünsche, das könnte ich dir glauben. Ich denke, ich bin sogar sehr wichtig. Ich bin sicher, dass sie alle in diesem Moment nach mir suchen. Dass sie versuchen, mir auf die Schliche zu kommen, so gut sie es eben können – was nicht besonders gut ist. In der Außenwelt würden sie mich sofort schnappen, aber hier nicht. Ich glaube, sie wollen mich auch überhaupt nicht finden. In dieser deiner nächtlichen Stadt bin ich doch eine der Hauptattraktionen, nicht wahr? Wenn das, was geplant war, tatsächlich so umgesetzt

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