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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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mit ihm zu nehmen, aber sie wollte nicht. Egal. Er rülpste, wischte sich über den Mund und musste grinsen, weil er ohnehin gerade in der Nachbarkneipe eine hübsche Arbeitskollegin entdeckt hatte, die bestimmt etwas mit ihm trinken würde. Er grinste noch breiter, als ihm erneut die Ironie des Schicksals klar wurde. Er würde doch tatsächlich den letzten Akt dieses Theaters ausgerechnet mit ihr feiern. Und das Beste daran war, dass sie nichts von seiner kleinen Party wusste.
    Er trank aus, bezahlte, ließ großzügigerweise einen Euro Trinkgeld liegen, wankte über den Strand und setzte sich ohne zu fragen neben sie. »So ganz alleine hier Señorita?«, stellte er galant fest.
    Als sie auf dem Parkplatz der Guardia Civil in Kilians Auto stieg, fühlte Joana sich erleichtert. Womöglich konnten die Todesfälle mithilfe ihrer Hinweise nun endlich aufgeklärt werden. Kilian startete den Motor.
    »Und jetzt?«, fragte er sie.
    Joana überlegte. Das war eine gute Frage. In ihrem Zorn gegenüber Carlos hatte sie vielleicht doch etwas voreilig entschieden, dass Kilian aus dem Hotel ausziehen sollte, um bei ihr zu wohnen.
    Sie legte den Gurt an und kurbelte das Fenster herunter. »Lass uns was trinken gehen!«, schlug sie vor und wies ihm den Weg zu den Bajos, den Strandkneipen von Almuñécar.
    So früh am Abend war hier noch nicht viel los. Unter Palmenwedeln, zwischen denen die ersten Sterne der Nacht funkelten, setzten sie sich in Korbstühle und bestellten Bier. Joana blickte auf das glitzernde Meer hinaus. Fischerboote lagen in der Bucht; ihre Lampen strahlten ins Wasser, um den Fang anzulocken. In der Ferne passierte ein Kreuzfahrtschiff, das mehr Strom als eine Kleinstadt zu benötigen schien, auf seinem Weg durch die Straße von Gibraltar den westlichsten Zipfel des Mittelmeeres. Das Geräusch der Wogen, die sanft an den Strand schwappten, wirkte einschläfernd wie bei einer Hypnose. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter hob sich ihre Stimmung, obwohl diese noch weit davon entfernt war, fröhlich zu sein. Angesichts von Elenas Tod konnte davon auch nicht wirklich die Rede sein. Zudem war die Trauer um ihre Mutter noch so gegenwärtig, dass ihr die Augen brannten, sobald sie nur an sie dachte, dennoch – langsam breitete sich auch eine innere Freiheit in ihr aus. Sie war jetzt auf sich allein gestellt und musste auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Sie könnte von Almuñécar fortgehen, ohne jemanden damit zu verletzen. Es gab keine unmittelbaren Familienmitglieder mehr, nur noch entfernte Verwandte, zu denen sie aber ohnehin keinen Kontakt pflegte. Keine Freundschaften, keine Kinder – nur einen Job, der ihr immer weniger Spaß machte und den sie seit den Todesfällen nur noch widerwillig ausübte.
    Kilian bestellte ein weiteres Bier und versuchte Small Talk zu betreiben, aber es fiel ihnen nicht leicht, über etwas anderes zu reden, als über die vergangenen beiden Wochen. Die Unterhaltung geriet immer wieder ins Stocken, ohne dass beide allerdings das Schweigen zwischen ihnen als unangenehm empfanden. In den Gesprächspausen sahen sie dem Kreuzfahrtschiff auf seiner Fahrt nach Westen zu und lehnten in den Korbsesseln wie ein altes Ehepaar vor dem Fernseher. Joana konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal mit einem Mann etwas trinken war. Und jetzt saß sie mit Kilian hier und es herrschte eine seltsame Vertrautheit, die sich sonst vielleicht nur über Jahre hinweg aufbauen konnte. Es lag wohl daran, dass sie dasselbe Schicksal teilten, dachte sie, und wusste, dass auch er froh war, in Spanien auf sie gestoßen zu sein. Sie brauchten sich gegenseitig, jedoch ohne Hintergedanken. Er, um die Sprachbarriere zu überwinden und um den Tod seines Bruders aufzuklären, und sie brauchte ihn, um wieder Halt zu finden. Sie benötigte eine starke Schulter zum Anlehnen, wenngleich sie diese Möglichkeit noch nie wahrhaft ausgenutzt hatte. Sie mochte ihn, aber als amigo . Kilian war ihr erster richtiger »Freund«. Bisher allerdings hatte sich noch kein Freund von ihr auf Dauer mit dieser Rolle zufriedengegeben. Alle wollten bald mehr, und wenn sie es dann nicht bekamen, war die Freundschaft vorbei. Joana mochte Kilian, aber auch diese Freundschaft würde bald enden, alleine schon aus geografischen Gründen, es sei denn …
    »Und wie war das Leben in Hamburg so?«, fragte Kilian und unterbrach ihre Gedanken.
    »Hamburg ist eine tolle Stadt.«
    »Wieso bist du nicht dort geblieben?«
    »Weil meine Familie

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