Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
freiwillig betreten, aber nach seiner »Beinaheverhaftung« fühlte er sich trotzdem alles anderes als unbefangen. Paco hingegen ignorierte ihn und pfiff durch die Zähne, als ihm offenbar klar wurde, was für eine heiße Spur das war, die Joana ihm da gerade serviert hatte.
Der Polizist drückte einen Knopf auf der Sprechanlage, murmelte ein paar knappe Worte und Sekunden später erschien Teniente Lozano und Joana musste nochmals von vorne beginnen: Angefangen von der falschen Liste des Hoteldirektors bis zu dem Zwischenfall in der Tiefgarage schilderte sie alles, was sich in den letzten beiden Stunden zugetragen hatte.
Paco und Teniente Lozano sahen sich an. Die überraschende Entwicklung, die der Fall nahm, war einerseits als durchaus positiv einzuschätzen, aber andererseits auch mehr als beschämend, ja direkt peinlich für die Guardia Civil. Da spielten eine Empfangsangestellte und ein deutscher Geschäftsmann mit dubioser Vergangenheit Detektiv und waren gleich auf zwei mögliche Spuren gestoßen, und das alles nach nur einer einzigen Stunde Recherche. Paco zupfte sich an seinem Schnäuzer. Das war um einiges mehr, als zwei Dutzend gelernte Ermittler seit Elenas Auffinden in den frühen Morgenstunden zustande gebracht hatten, aber wie auch immer, es gab also unter den Hotelgästen einen verdächtigen Engländer mit falscher Adresse. Zudem hatte dieser bei allen Todesfällen im Hotel logiert. Und dann war da noch Narcís, der widerspenstige Neffe des Hoteldirektors, der von Inmaculada verpfiffen worden war und als unmittelbarer Kollege der hübschen Elena möglicherweise auch mit dieser so seine Probleme gehabt hatte. Darüber hinaus war die Guardia Civil vom Direktor des »Palace« höchstpersönlich hinters Licht geführt worden, weil sein Neffe weder in der Personal- noch in der Gästeliste auftauchte. Mit dem windigen Hotelchef würden sie daher noch ein ernstes Wörtchen reden müssen. Ihm konnten sie zumindest die Verantwortung dafür in die Schuhe schieben, dass sie wegen seiner fehlerhaften Liste den ganzen Tag über nicht weitergekommen waren. Nun hatten sie zwei Verdächtige, im Gegensatz zu den 312 Personen auf der Liste, von denen die meisten über sechzig waren und ohnehin kein Wort Spanisch sprachen.
Als Joana ihre Erzählung beendete, bat sie die beiden Beamten noch, ihren Namen aus dem Spiel zu lassen. Schließlich war Carlos ihr Chef und sie hatte ihn und seinen Neffen gerade angeschwärzt – sollte der Direktor davon erfahren, wäre sie mit Sicherheit ihren Job los.
Paco und der Teniente wechselten einen Blick und schließlich fand Paco eine für alle Beteiligten annehmbare Lösung. »Dafür haben wir Verständnis, Joana. Wir könnten …«, er nahm seine Mütze ab und kratzte sich an der Stirn, »wir könnten behaupten, diese Spuren hätten sich aufgrund der Ermittlungen der Guardia Civil ergeben.«
Joana nickte und erhob sich.
Die beiden Beamten bedankten sich bei Joana und schüttelten sogar Kilian, den sie vor wenigen Tagen noch für einen Mörder gehalten hatten, freundlich die Hand.
Als die beiden draußen waren, wich das Schamgefühl der Beamten rasch einer ausgewachsenen Euphorie. Sie waren gerade auf zwei wichtige Spuren gestoßen und eine davon musste ja wohl zum Täter führen. Der Rest konnte doch nicht mehr so schwierig sein: Interpol musste wegen des Engländers kontaktiert werden, vielleicht hatte der auf der Insel ja auch schon eine »Blutspur« hinterlassen, und den jungen Spanier würden sie selbst in die Mangel nehmen. Pacos anregende Plauderei mit Elenas schwitzendem Ex-Lover war längst vergessen.
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E r saß im Auto und trank aus der Cognacflasche. Den Nachmittag hatte er trotz des aufreibenden Verhörs gut überstanden; er spielte seine Rolle in diesem Theater seiner Einschätzung nach bisher recht passabel. Die Guardia Civil hatte nichts gegen ihn in der Hand, ansonsten hätten sie ihn nicht so einfach laufen lassen. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen.
Er hatte lediglich zugeben müssen, die Kleine ein paarmal gevögelt zu haben, das war aber auch schon alles. Hauptsache, niemand hatte ihn gesehen, als Elena den Abhang hinunterstolperte, und … Hauptsache, der Kratzer auf seinem Arm stammte nicht von ihr.
Er musterte die kleine schorfige Narbe. Wann war das passiert? Mit Sicherheit nicht, als er Elena schubste, aber vielleicht davor, als sie den Streit hatten? Als sie drohte, alles auszuposaunen, und er sie an den Schultern gepackt und
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