Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
ich dann lügen müsste, und so traf ich die Entscheidung, das Kind abzutreiben, obwohl das in Spanien illegal war.«
Kilian, der offenbar den Atem angehalten hatte, ließ geräuschvoll die Luft entweichen. »Gott sei Dank – das war die richtige Entscheidung!«
»Wie bitte?« Joana wandte sich ihm zu. »Aha! Jetzt also auf einmal! Was hast du gestern noch gesagt: ›Ich finde ein junges Lebewesen sollte das Recht bekommen‹ …«
»Ja, das habe ich gesagt, aber bei dir war das ja wohl was anderes als bei mir und Cornelia!«, verteidigte er sich.
»Du änderst deine Meinung ja wie ein Politiker nach der Wahl – die Umstände waren zwar anders, aber wenn du schon gegen Abtreibung bist, dann sollte dies doch auch für jede Situation gelten, oder etwa nicht? Schließlich kann der Embryo ja nichts dafür wie, warum und von wem er gezeugt wurde. Ich habe damals sehr unter dieser Entscheidung gelitten und du hast damals ebenfalls unter Cornelias Entschluss leiden müssen, aber ich bin sicher, es war auch für sie nicht so einfach, wie du vielleicht glaubst!«
»Okay, du hast wahrscheinlich recht. Wohl auch mit dem, was du gestern gesagt hast: ›Mann und Frau glauben immer, von ihrem jeweiligen Standpunkt aus recht zu haben, deswegen ist ein Streit sinnlos.‹« Kilian grinste, hob seine Bierflasche und prostete Joana zu.
»Du lernst schnell, es gibt also noch Hoffnung!«, sagte sie und stieß ihre Flasche gegen seine. Er trank sein Bier aus und entschuldigte sich für einen Moment. Joana blickte ihm nach, wie er das Lokal betrat, um die Toilette aufzusuchen. Eine Gruppe junger Mädchen hob die Arme zu einer Welle, als Kilian sich zwischen ihnen hindurchzwängte, und ein Girlie schmiss ihm eine Kusshand hinterher. Die Mädels waren gut zehn Jahre jünger als sie, trotzdem fühlte Joana sich um eine Generation älter. Es war ewig her, dass sie in diesen Kneipen Spaß gehabt hatte wie jetzt diese Kicherbande. Sie versuchte zu ergründen, wann sie das letzte Mal unbeschwert gewesen war, als sie in ihren Gedanken unterbrochen wurde.
»Hallo Joana«, sagte der Hotelcasanova und setzte sich auf Kilians Stuhl. Der Atem von Antonio, ihrem Kollegen aus der Cafeteria, roch nach Alkohol, als er ihre Hand tätschelte. »So ganz allein hier, Señorita? Es scheint, dass wir uns immer öfter über den Weg laufen. Gestern Nacht bei der Hintertür der Cafeteria und jetzt schon wieder. Langsam glaube ich, das Schicksal will uns damit etwas sagen.«
33
J oana war nicht begeistert, als Antonio sich zu ihnen setzte. Sie hatte mit Kilian bis eben einen angenehmen Abend erlebt, vor allem, weil sie ausnahmsweise einmal kaum über die Ereignisse im Hotel gesprochen hatten. Aber bei den Angestellten dort – Antonio eingeschlossen – war ja nichts anderes mehr Thema. Gerade er, der für alle Mitarbeiter und Gäste Kaffee zubereitete, war gewissermaßen das Informationsepizentrum des »Palace«. Antonio winkte die Kellnerin heran und bestellte einen Gin Tonic.
»Ich bin nicht alleine hier«, ließ Joana ihn wissen. »Kilian ist gerade auf der Toilette.«
»Oh … aha.« Antonio versuchte erst gar nicht, seine Enttäuschung zu verbergen.
Wie zur Bestätigung trat Kilian an den Tisch, begrüßte Antonio und setzte sich in einen anderen Korbstuhl.
»Nice to meet you, how are you, Kilian?«, lallte Antonio.
Der Abend war gelaufen, ärgerte sich Joana und rollte mit den Augen. Antonio schien nichts von ihrem Unmut zu bemerken und gab in einem Monolog aus Spanisch und Englisch seine abenteuerliche Sicht der dramatischen Vorgänge im »Palace« zum Besten. Nebenbei beschwerte er sich über die Unfähigkeit der Guardia Civil. Als sich Antonio erneut nach der Bedienung umwandte, tippte Joana zum Zeichen des Aufbruchs gegen Kilians Fuß. Das Fünkchen an Magie zwischen ihnen war erloschen. Nach einem langen Tag im Hotel war es ihr zuwider, mit Antonio ein weiteres Mal das Geschehene durchzukauen. Noch weniger wollte sie darüber sprechen, wie sie aus über achthundert Gästen zwei mögliche Verdächtige hatte aussortieren können, sonst wüsste es am nächsten Tag das gesamte Hotel. Aber als Antonio auf Elena zu sprechen kam und Kilian gerade wieder in der Kneipe verschwand, um die Rechnung zu bezahlen, fiel ihr doch etwas ein, das zu erfahren interessant sein könnte. Joana räusperte sich. »Antonio, ich möchte dich etwas fragen, aber ich hätte gerne, dass es unter uns bleibt, in Ordnung?« Sie rutschte mit ihrem Stuhl näher an ihn
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