Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Boden. Seine neuerliche Aktivität bedeutete Hoffnung für Joana, die sofort an seiner Seite war.
»Was machst du da?«
Kilian rang sich trotz seiner Schmerzen ein Lächeln ab. »Ich hab deine Frage vorhin nicht beantwortet, ja, es war als Kind meine Lieblingssendung!« Er legte sich das Holz zurecht, wickelte die beiden Gürtel um den Balken und fügte hinzu: »Und jetzt siehst du Teil zwei des bayerischen MacGyvers!«
Er markierte mit einem Blutstropfen die Stelle, an der er ein Loch in den Gürtel stechen musste, damit dieser sich so stramm wie möglich um das Holz schnallen ließ. Dann zertrümmerte er mit dem Stemmeisen eine der Plastikkisten, bis sich daraus ein scharfer Splitter löste. Mit diesem konnte er das Leder an den betreffenden Stellen durchbohren. Danach zurrte er die Gürtel um das Holz und kontrollierte, ob sie nicht abrutschen konnten. Zuletzt verknüpfte er noch die Gürtelenden mit den Hosenbeinen seiner Jeans, bis das ganze Werk aussah wie der riesige Steigbügel eines Pferdesattels.
»Und jetzt?«, fragte Joana.
»Jetzt drück mir die Daumen!«, erwiderte er und mühte sich auf die Füße. »Du musst dieses Ende festhalten«, trug er Joana auf und erklärte ihr sein Vorhaben: »Ich werde diesen Holzstumpf als Rammbock benutzen und so lange gegen das Loch dort oben werfen, bis es größer wird. Wenn uns das gelingt, kann ich den Scheit an der Leine nach draußen werfen, wo es sich mit ein bisschen Glück an der Dachunterkante verheddert. Auf diese Weise sollte sich der Druck auf das ganze Holzstück verteilen, ohne einen Knackpunkt wie vorhin. Der Halt sollte ausreichend sein, um sich daran hochzuziehen.«
Joana nickte eifrig. »Aber schaffst du das auch mit deinen Schmerzen?«
»Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, das ist unsere letzte Chance. Halt dieses Ende fest, ansonsten zieht das Holzscheit unsere Rettungsleine nach draußen.« Er hielt das glatte Ende des Holzstumpfs wie ein Kugelstoßer. Kilian biss auf die Zähne und stieß den Holzprügel in die Luft. Der Prügel schlug neben dem Loch ins Dach. Verputz und Holzspäne rieselten zu Boden. Er versuchte den Schmerz in der Schulter zu ignorieren und wiederholte den Wurf so lange, bis er vor Schwindel pausieren musste. Aber das Loch war bereits doppelt so groß wie noch vor ein paar Minuten. Dieses Erfolgserlebnis, zusammen mit dem Gedanken an einen Liter kalter Limonade, ließ ihn wieder auf die Beine kommen.
Es brauchte weitere fünf Würfe mit dem Rammbock, ehe ein Stück von etwa einem halben Quadratmeter aus dem Dach brach und zu Boden knallte.
Schon der nächste Wurf würde entscheidend sein. Kilian nahm Joana das Ende des Strangs aus der Hand und band es sich zur Sicherheit um sein Armgelenk. Er musste nun das Holzscheit wie einen Enterhaken durch das Loch werfen und hoffen, dass es an der Außenkante des Dachs Halt fand. Joana wandte ihren Blick ab. Sie wusste, dass es nun um Leben oder Tod ging. Kilian prüfte die Straffheit des Gürtels am Holzbalken, bevor er sich bereit machte. Er warf, und das Holz flog aus dem Loch, gleichzeitig hob er die Hand, die er mit einer Socke an den Strang gebunden hatte und hörte, wie der abgebrochene Balken draußen auf das Dach knallte. So weit, so gut, dachte er und zog an der Rettungsleine. Es gab einen Widerstand. Er zog gegen den Widerstand – und er gab nach.
»Mierda!«, fluchte Joana, als sie hörte, wie das Holz über das Dach kratzte, bis das geborstene Ende über das Loch ragte.
Kilian zog fester und das Holz fiel zurück auf den Boden. Er wagte es nicht, zu Joana hinüberzusehen. Der Strang war zu kurz. Oder er selbst zu klein. Zu allem Überfluss hatte er eine der beiden Obstkisten zerstört, nur um an den Plastiksplitter zu kommen.
Er kickte die andere Kiste unter das Loch und stellte sich darauf, was ihn dreißig Zentimeter größer machte. Kilian warf das Holzstück und traf abermals ins Freie. Wieder knallte das Holz auf das Dach und rollte an ihm ab. Kilian zog an dem Strang. Die ersten Zentimeter gab es kaum Widerstand, aber dann hörte er ein leichtes Pochen an der Außenwand. Sein Herz hämmerte, als er weiterzog. Aber der Strick ließ sich keinen Zentimeter mehr nach unten ziehen.
»Und?«
»Es scheint, als ob das Holz unter der Dachkante eingeklemmt ist.«
»Meinst du, es hält?«
Kilian antwortete nicht. Das würden sie in wenigen Augenblicken genauer wissen. Er packte den Strang und fühlte, wie Adrenalin seinen Körper durchströmte. Dann sah er
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