Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
eigentlich nicht nach Las Colinas hinausfahren, weil die Polizei, sollte sie die beiden womöglich befreit haben, sich denken konnte, dass es den Täter zurück zum Tatort zog. Aber er musste einfach nach dem Rechten sehen. Nachdem er das Motorrad vor der Finca abgestellt hatte, hörte er Joana schon um Hilfe winseln. Er trat vor die Tür, hinter der sich das Drama abspielte, und klopfte dagegen. Er dachte kurz daran, sich namentlich zu erkennen zu geben, damit sie ihn persönlich anflehte und ihm somit einen zusätzlichen Kick verschaffte, aber Joanas jämmerliches Stöhnen machte ihn auch so schon scharf genug. Er konnte nicht anders, als Hand an sich zu legen, und es dauerte keine Minute, bis es ihm kam.
Zufrieden fuhr er zurück nach Almuñécar. Dort draußen war alles unter Kontrolle. Bald schon, bei dieser Hitze ohne Wasser und Brot spätestens in einer Woche, würden die beiden verrecken und er musste nur an seinem nächsten freien Tag zurückkommen, um die Leichen irgendwo im Wald zu verscharren. Das Einzige, das ihn wunderte, war die Tatsache, dass im Hotel noch nicht über Joana getratscht wurde. Er hatte sehr genau hingehört, als das Personal sich an seiner Theke unterhielt, aber Gerüchte wie »Hast du schon von Joana gehört, jetzt ist sie auch noch verschwunden!« hatte er nicht aufschnappen können. Letzte Nacht hatte er davon geträumt, dass die beiden sich befreit hätten. Aber als er aufwachte, war ihm sofort klar, dass das nur ein Albtraum gewesen sein konnte. Von dort gab es kein Entrinnen! Vor Fernandos Auftritt als indirekter Mörder war er zur Finca gefahren und hatte alles überprüft: Tür, Schloss, Mauerwerk – sogar den Handyempfang hatte er getestet: Fehlanzeige!
Antonio füllte den Geschirrspüler mit schmutzigen Gläsern und war so in Gedanken versunken, dass er die beiden zunächst nicht kommen hörte.
»Zwei Milchkaffee!«, orderte Maite.
Antonio fuhr herum und stieß mit dem Rücken gegen die Espressomaschine, als er erkannte, für wen der zweite Kaffee bestimmt war. Was zum Teufel? Sein Albtraum von letzter Nacht schien Wirklichkeit geworden zu sein!
Maite konnte es anscheinend immer noch nicht fassen, was Joana ihr da eben erzählt hatte, Joana, die gerade aus ihrem »Urlaub« zurückkam!
»Da hat dir also jemand eine SMS geschickt und sich als Carmen ausgegeben. Aber am vereinbarten Treffpunkt in Sevilla erscheint stattdessen ein Klempner und sperrt euch in eine verlassene Finca, aus der ihr euch nur mit viel Glück befreien konntet?« Offenbar wollte Maite sichergehen, dass sie auch alles richtig verstanden hatte. Joana nickte und gab Maite ein Zeichen, nicht so laut zu sprechen.
»Und wenn ihr da nicht wieder rausgekommen wärt?«, wollte Maite wissen.
Joana zuckte die Achseln. »Wir sind da aber wieder rausgekommen und über den Rest möchte ich gar nicht erst nachdenken!«
Maite machte ein düsteres Gesicht und nickte. Auch sie wollte sich das wohl lieber nicht ausmalen. »Und das war ein junger Mann, der euch dort …?«
»Maite, hör zu. Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich war so aufgeregt, weil ich Carmen sehen wollte …« Joana stockte. Als die Freude über die gelungene Flucht, die Behandlung im Krankenhaus und die Anzeige bei der Guardia Civil vorbei waren und sie Zeit zum Nachdenken bekam, hatte sie nur noch daran denken müssen, wie sie überhaupt in diese verflixte Lage geraten waren. Komm morgen um 22.00 Uhr nach Sevilla. Ich werde beim Torre del Oro warten und dir alles erklären …
Wie konnte sie nur so leichtgläubig gewesen sein? Offenbar weil man glaubt, was man glauben will, beantwortete sie sich ihre Frage selbst. Dreißig Stunden lang hatte sie sich der Illusion hingegeben, dass Carmen doch noch am Leben sei, und nun war dieser Traum genauso schnell geplatzt, wie er gekommen war. Das war ihr eigentlicher Schmerz.
»Und dann seid ihr ins nächste Dorf gerannt?«, holte Maite sie aus ihren Gedanken.
»Ja. Wir haben dieses provisorische Seil irgendwie aufgeschnürt und uns angezogen. Dann schleppten wir uns ein paar Kilometer ins nächste Kaff, wo wir als Erstes den halben Dorfbrunnen austranken. Irgendjemand rief schließlich die Guardia Civil und für Kilian einen Krankenwagen.«
»Und wie geht es ihm jetzt?«
»Physisch schon besser. Er hat sich bei dem Sturz ein paar Rippen geprellt, aber er ist …« Joana verlor sich wieder in ihren Gedanken. Sie hatte sich Kilian gegenüber seit ihrer Flucht nicht gerade korrekt verhalten. In diesem
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