Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Freundin seines Mandanten habe ihn verloren oder sein Mandant leihe sein Boot manchmal Kumpels, die mit ihren Freundinnen dann draußen herumschippern. Oder noch einfacher: Das Boot liegt doch unbewacht am Strand, wenn es nicht benutzt wird, oder? Ich kann mir also gut vorstellen, dass sich darin schon viele Liebespaare in einer Nacht unter dem Sternenhimmel geküsst haben, so wild vielleicht, dass sich schon mal ein Ohranhänger gelöst hat.« Joana sank immer tiefer in den Besucherstuhl, aber Paco fielen noch weitere Einwände ein: »Hatte Carmen damals etwas mit Antonio zu schaffen? Waren sie befreundet? Hast du deine Schwester jemals in seiner Begleitung gesehen? Und gibt es außer diesem Anhänger überhaupt etwas, das dich vermuten lässt, er hätte etwas mit Carmens Verschwinden zu tun?«
Joana schüttelte den Kopf und erhob sich. Sie packte das Foto und den Anhänger zusammen mit der Lupe in ihre Tasche und wandte sich zur Tür. Dieser Besuch bei der Guardia Civil war genauso sinnlos wie Autowaschen im Regen. Paco beeilte sich, ihr die Tür zu öffnen, hielt sie aber dann am Ärmel fest. »Joana, wir arbeiten mit einem Dutzend Beamten der Guardia Civil plus Verstärkung aus Granada an der Aufklärung der Todesfälle. Ich verstehe, dass du uns aus persönlichen Gründen helfen willst, diese Verbrechen aufzuklären – sofern es denn welche waren. Aber die ›Spur‹ mit dem glatzköpfigen Engländer und seiner angeblich falschen Adresse oder die mit dem rüpelhaften Neffen deines Direktors schadeten uns mehr, als dass sie uns nützten. Nichts kam dabei heraus, nur uns hat es hier eine Menge Zeit gekostet. Genauso vergebene Mühe wäre es, wegen eines rostigen Ohranhängers Ermittler abzustellen, die in der Zeit dann andere, wichtigere Aufgaben nicht wahrnehmen könnten. Joana, bitte versuch das zu verstehen.«
Joana löste Pacos Hand von ihrem Ärmel und trat mit einem kühlen »Adiós« durch die Tür.
»Paco denkt wohl anders als du?«, fragte Kilian, als sie wieder im Auto saßen.
Joana winkte ab und zog ein Paket mit Tempos aus ihrer Handtasche. Erst jetzt fielen ihm ihre tränenfeuchten Augen auf. »Ja, das tut er und er hat wahrscheinlich recht! Ich sollte besser nicht weiter herumlaufen und einfach andere Leute beschuldigen, nur weil ich … nur weil ich irgendwelche Fantasien oder Halluzinationen habe. Nein, ich sollte endlich mal das tun, was ich dir schon die ganze Zeit rate: nämlich die Vergangenheit loslassen!«
Joana putzte sich die Nase, Kilian startete den Wagen und fuhr los. »Du darfst dir deswegen keine Vorwürfe machen, Joana. Du hast schon das Richtige getan.« Er wusste, wie hohl seine Worte klangen, aber sie ging ohnehin nicht darauf ein.
»Lässt du mich bitte in der Stadt raus, ich muss noch zur Bank und mich für die Arbeit umziehen.«
»Wie lange hast du heute Dienst?«
»Bis zehn.«
»Darf ich dich danach zum Italiener einladen?«
Joana tätschelte sein Knie. »Das geht leider nicht. Ich hab mich schon mit Maite verabredet.«
»Verstehe.« Es fiel ihm schwer, seine Enttäuschung zu verbergen. Er hätte Joana gern ausgeführt, heute an seinem letzten Abend in Almuñécar.
An einer Kreuzung im Stadtzentrum sprang Joana aus dem Wagen. »Sehen wir uns morgen noch?«, fragte sie, während hinter ihm schon ein Auto hupte.
»Ich weiß nicht, ich muss vor dem Flug noch nach Málaga ins Konsulat.«
Joana steckte ihren Kopf durchs Beifahrerfenster. »Sollten wir uns nicht mehr sehen, wünsch ich dir alles Gute, Kilian … und falls du mal ein Hotel für einen entspannten Urlaub suchst, dann weißt du ja, wohin du dich wenden musst!« Ihr kleiner Scherz passte nicht recht zu ihrer belegten Stimme und den feuchten Augen. »Mach’s gut, Kilian!«, sagte sie und klopfte auf das Autodach.
»Warte …!«, rief er ihr nach, aber seine Worte wurden vom erneuten Hupen des Hintermanns verschluckt und Joana war bereits zwischen den Fußgängern verschwunden.
Nach dem Bankbesuch blieb Joana noch etwas Zeit, ehe die Post schloss. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wann sie ihr Schließfach das letzte Mal geleert hatte. Es musste Wochen her gewesen sein.
Während sie ihre Schritte in Richtung Postamt lenkte, dachte sie an ihn.
Kilian war genauso schnell aus ihrem Leben wieder verschwunden, wie er es betreten hatte. Ihre Freundschaft war für sie beide von Vorteil gewesen; so hatten sie sich in den letzten Wochen beistehen können. Joana versuchte zu ergründen, was sie an Kilian –
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