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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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Wohnzimmers, als ob es dort einen besseren Empfang gäbe, und tatsächlich schnappte sie – nahezu unverständlich und verzerrt – ein einziges Wort auf: Carmen.
    Ihr Herz schien einen Moment lang auszusetzen. Sie vergaß zu atmen und brachte keinen Laut hervor. »Carmen? … Carmen! Bist du das?« Joana presste das Handy ans Ohr. Es blieb still in der Leitung. »Carmen!«, schrie sie. »Sag etwas … bitte!«
    Joana sank zu Boden, dabei zitterte sie so heftig, dass sie das Handy kaum am Ohr halten konnte. Das Schluchzen und Heulen erklang erneut; es war beinahe unmöglich, auch nur einen einzigen Satz zu verstehen, aber ein paar Worte konnte sie dennoch aufschnappen: » … tut mir leid … nicht erklären … die lange Zeit … Carmen ist tot.«
    Joana wollte sich erheben, aber ihre Füße trugen sie nicht mehr. Das Handy glitt ihr aus der Hand, schlitterte über den Marmorboden und landete unter dem Couchtisch. Wie von Sinnen kroch sie darauf zu und presste das Handy erneut ans Ohr, aber die Verbindung war bereits unterbrochen.

 7 
    S ie wusste nicht, wie lange sie schon auf dem kalten Marmorboden gekauert hatte, und wie eine Geisteskranke hin- und hergewippt war. So ist es also, wenn man einen Schock erleidet oder einen Nervenzusammenbruch, dachte sie, als die Gegenstände um sie herum langsam wieder Konturen annahmen und ihre Sinne allmählich in die Wirklichkeit zurückkehrten. Nicht einmal an dem Tag, als Carmen verschwand, war ihr etwas wie das hier passiert. Die ersten Stunden war sie nur beunruhigt, dann besorgt gewesen, und als ihre Schwester am nächsten Tag immer noch nicht aufgetaucht war, fuhr sie ziellos mit dem Moped durch Almuñécar, bis sie damit stürzte und sich das Schlüsselbein brach.
    Aber jetzt … so fühlte es sich also an, wenn man eine Todesnachricht erhielt.
    Einen Augenblick lang hatte sie geglaubt, es sei Carmen selbst gewesen, dort am anderen Ende der Leitung, aber es war nicht ihre Schwester. Die Stimme war zwar ebenfalls jung, aber anders … piepsiger. Die Unbekannte sprach verzerrt und gedämpft, wie durch Watte. Außerdem hatte sie wohl ihre Stimme verstellt. Joana glaubte dennoch, diese Stimme schon einmal gehört zu haben, aber wo, das fiel ihr nicht ein.
    Carmen ist tot . Was bedeutete das?
    Die Guardia Civil hatte in den letzten zwei Jahren mehrere Hinweise auf den Verbleib ihrer Schwester erhalten, aber niemand hatte bisher angerufen, um zu behaupten, Carmen sei tot. Wer also war die Anruferin und vor allem – sagte sie die Wahrheit? Und wenn sie es tat, konnte das doch nur bedeuten, dass dieses Mädchen etwas mit Carmens Verschwinden oder ihrem Tod zu tun hatte. Aber wieso meldete sich die Unbekannte erst jetzt, nach zwei Jahren? Hatte sie eben mit einer reuigen Mörderin gesprochen?
    Schwachsinn.
    Joana erhob sich und wusch ihr Gesicht mit kaltem Wasser aus. Es war 22.30 Uhr. Der Anruf war vor zwanzig Minuten gekommen. Sie musste demnach eine Viertelstunde lang weggetreten gewesen sein. Ein Rückruf würde vermutlich keinen Sinn machen, sie versuchte es aber trotzdem. Die Frauenstimme des Providers bestätigte ihren Verdacht: Die Nummer konnte nicht zurückverfolgt werden. Sollte sie zur Guardia Civil gehen? Sie trank ein Glas Milch, hielt sich das kühle Glas an die Wange.
    Besser nicht.
    Schon gar nicht durfte sie Inmaculada von dem Anruf erzählen …
    Müdigkeit überfiel sie; sie legte ihr Handy auf das Nachtkästchen – falls sich die unbekannte Anruferin erneut melden sollte –, nahm es dann aber doch noch einmal zur Hand und rief die Gesprächsdaten auf. Nein, sie hatte sich das alles nicht eingebildet. Das Gespräch dauerte 48 Sekunden. Nur 48 Sekunden? Rückblickend kam es ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, und wenn sie sich schon in diesem Punkt getäuscht hatte, wie war es dann mit dem Gespräch an sich? Hatte das Mädchen wirklich Carmens Namen genannt?
    Joana versuchte sich an Einzelheiten zu erinnern, aber es gelang ihr kaum. Sie wusste nur noch eins: Sie wollte endlich schlafen.
    Der nächste Tag war ein Samstag und damit An- und Abreisetag. Wenngleich nicht so viel Hektik herrschte wie im Sommer oder zu Ostern, war das Hotel doch zu siebzig Prozent ausgelastet und Joana vorläufig zu abgelenkt, um noch weiter über den gestrigen Anruf nachzudenken.
    Auch Carlos half heute an der Rezeption aus, damit – wie er wohl glaubte – alles reibungslos ablief. Sie und Maite waren sich jedoch einig, dass genau das Gegenteil der Fall war. Mit keinem Wort

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