Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Mal stellte, alleine zurechtkommen. Langsam ließ er seinen Blick von Kilian zu Joana wandern.
»Wie lange ist Ihre Mutter schon verschwunden?«
»Seit heute Morgen!« Joana bemerkte sogleich ihren Fehler, als der Beamte auf die Uhr sah.
»Seit heute Morgen erst … na ja, dann wird sie sicher bald wieder …«
»Eigentlich ist sie schon seit gestern Abend verschwunden«, unterbrach Joana ihn sofort. »Und seitdem hat sie niemand mehr gesehen! Wir haben sie den ganzen Tag lang gesucht und überall dort nachgefragt, wo sie sich normalerweise aufhält, aber ohne Erfolg. Sie ist verschwunden – Sie müssen meine Mutter suchen!«
Wieder überlegte der Uniformierte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. »Wir werden uns darum kümmern, aber momentan können wir nichts unternehmen, kommen Sie also bitte morgen wieder, falls Ihre Mutter bis dahin nicht wieder aufgetaucht ist, meine ich. Dann sind auch mehr Beamte im Dienst.«
Joana blies ihre Backen auf, stellte sich auf die Zehenspitzen, lehnte sich über die Empfangstheke und krallte sich an der Kante fest, bis ihre Knöchel weiß hervortraten. »Ich möchte meine Mutter als vermisst melden – und zwar jetzt sofort! Haben Sie das verstanden?«
Der Beamte schluckte, aber Joana war noch nicht fertig. »Meine Mutter ist verschwunden, genauso wie meine Schwester Carmen vor zwei Jahren und die ist bis heute noch nicht aufgetaucht! Also behandeln sie mich nicht wie ein kleines Mädchen, das seine Puppe verloren hat. Ich möchte, dass Sie hier und jetzt die Suche einleiten!«
Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Beamten. »Ihre Schwester ist auch …?«, fragte er eingeschüchtert.
»Ja. Meine Schwester wird seit zwei Jahren vermisst und jeder hier weiß das«, blaffte sie ihn an.
»Ich bin erst vor Kurzem hierher versetzt worden, deswegen …«
»Schon gut«, winkte sie ab, »das konnten Sie ja nicht wissen. Also?«
Der Beamte biss sich auf die Lippen. »Ich fürchte, ich kann Ihnen da vorerst nicht weiterhelfen. Die Vorschrift lautet nun mal, dass vierundzwanzig …«
Joana hieb mit der Faust auf die Theke, sodass der Beamte unwillkürlich zurückwich. »Dann funken sie eben Paco an. Ich will mit Paco sprechen!«
»Ich bin nicht befugt, Beamte außer Dienst anzufunken, es tut mir sehr leid«, antwortete er kleinlaut.
»Da haben Sie allerdings recht« zischte Joana. »Das wird Ihnen noch verdammt leidtun!« Sie drehte sich um, packte Kilian am Ärmel und zog ihn hinter sich her durch die Ausgangstür.
Der Beamte sah den beiden hinterher, wandte sich wieder seiner Zeitung zu, fuhr aber erschrocken zusammen, als die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, sodass der Putz von der Decke rieselte. Der Beamte schüttelte den Kopf. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Als Angehöriger der Guardia Civil musste man sich eben an die Vorschriften halten. Nur weil irgendeine alte Frau seit ein paar Stunden telefonisch nicht erreichbar war, konnte man doch nicht den ganzen Polizeiapparat aktivieren – schon gar nicht, wenn dieser aus nur vier Mann Bereitschaft bestand. Die Alte würde schon wieder auftauchen, dachte er, blätterte die Zeitung um, und widmete sich der Analyse des gestrigen Fußballspiels.
Kilian saß neben Joana im Auto; in der Hand hielt er immer noch die verdächtigen Fundstücke aus Xavers Mietwagen.
Was nun?
Den Besuch bei der Gurdia Civil hatte er sich wahrlich anders vorgestellt – und Joana ebenfalls, wie es den Anschein machte: Sie zog sich vor Wut die Haare soweit nach hinten, bis ihr Gesicht dem einer Asiatin ähnelte. Dabei schimpfte sie auf Spanisch – Ausdrücke, von denen er annahm, dass es dafür keine Übersetzungsmöglichkeit ins Deutsche gab. Nach einem Faustschlag auf das Armaturenbrett, der die Handschuhfachklappe aufspringen ließ, beruhigte sie sich einigermaßen und sank in ihren Sitz zurück.
So sah das also aus, wenn jemand von »temperamentvollen Südländerinnen« sprach …
Auch ohne Spanischkenntnisse war ihm allerdings klar, dass der Polizist von eben ihnen nicht hatte weiterhelfen können – oder wollen . Dennoch hielt er den Fund in Xavers Wagen nach wie vor für zu wichtig, um dieser Spur nicht auf den Grund zu gehen. Die Guardia Civil musste davon erfahren!
Zögerlich wandte er sich Joana zu und hielt ihr dabei seine Handflächen mit gespreizten Fingern entgegen, als wollte er einen knurrenden Hund davon überzeugen, ihn doch nicht zu beißen. »Joana, du hast selbst gesagt, dass mein Bruder etwas
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