Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Wellnessbereich. Und ihm erzählte sie, dass sie ihre Mutter suchte … Na, da ist ihr wohl auf die Schnelle keine bessere Ausrede eingefallen, sagte er sich. Miguel schwang seine Füße auf den Tisch und blickte auf die Uhr. Die beiden würden ihn wohl so bald nicht stören; er grinste und nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierdose. Dann zählte er an den Fingern die verbleibende Zeit ab. Immer noch fünf Stunden Schicht! Er blätterte in seinem Magazin und rülpste anerkennend, während er Mandys Kurven mit den Fingern nachzeichnete.
Kilian und Joana begannen mit der Suche nach Inmaculada in der Küche des Restaurants.
Wie eine Traube fetter Fledermäuse hingen Pfannen und Töpfe im Halbdunkel unter der Abzugshaube. Joana machte Licht und schritt die Küche ab. Kilian lehnte im Türrahmen. Erst als sie eine der voluminösen Kühltruhen öffnete, wurde ihm klar, dass sie kurz davor war, vor Müdigkeit und Sorgen den Verstand zu verlieren. Er nahm sie in den Arm. »Joana … hier arbeiteten den ganzen Tag über Köche, Kellnerinnen und Abwäscher und keiner von denen hat sie gesehen. Sie kann hier nicht sein.«
Joana schniefte. »Aber irgendwo muss sie doch sein!«, entgegnete sie trotzig und lehnte sich einen Moment lang kraftlos an ihn. Dann löste sie sich und wischte sich die Augen trocken. »Ich möchte noch in den anderen Bereichen nachsehen«, flüsterte sie und schritt durch die Flügeltür voran.
Kilian war sich zwar der Sinnlosigkeit dieses Unterfangens bewusst, als sie die Wäscherei, den Wellnessbereich, die Sauna, die Lagerräume und die Tiefgarage inspizierten, aber er wollte Joana nicht widersprechen. Überall wo sie nachsahen, hatten sich tags zuvor Menschen bewegt, wie also sollte Inmaculada jetzt hier herumsitzen … oder liegen? Um fünf Uhr morgens gaben sie auf.
Wortlos fuhren sie in die oberste Etage. Hier befanden sich die Superior-Zimmer und einige Suiten mit großen Terrassen und eigenem Whirlpool. Vom fünften Stock aus bekam man auch den spektakulärsten Ausblick über Almuñécar geboten. Joana blieb vor Zimmer Nummer 512 stehen und wartete, bis er seine Schlüsselkarte aus dem Portemonnaie gezogen hatte. Dieses Zimmer, so hatte sie ihm erklärt, sei zurzeit nicht belegt, weil das Heizungsund Klimagerät nicht funktionierte. Sie hatte für ihn die Zugangskarte aktiviert, ohne dies im Buchungsprogramm zu vermerken. Falls ihr Chef dahinterkam, würde es wohl ernsthafte Konsequenzen geben, aber das war das Letzte, was ihr in diesem Moment Sorgen bereitete.
Joana wankte auf das Bett zu und winkte ihn zu sich. Zu zweit schoben sie die zusammengestellten Einzelbetten um einen Meter auseinander. Danach ging Joana ins Bad und er auf die Terrasse. Die Sterne über Almuñécar verschwammen bereits im diffusen Morgengrauen. Er starrte eine Weile in den Ort hinunter und versuchte dabei an nichts mehr zu denken. Nach ein paar Stunden Schlaf würden sich die Dinge vielleicht wie von selbst klären, hoffte er und ging zurück ins Zimmer, wo Joana schon zu schlafen schien. Ihre Bluse, der Rock und ihre mahagonifarbenen Seidenstrümpfe hingen über dem Schreibtischstuhl. Er zog den Vorhang zu, schlüpfte aus seinen Klamotten und legte sich ins Bett. Joana atmete unregelmäßig und er war sich nicht sicher, ob sie wirklich schon schlief oder in ihr Kopfkissen schluchzte. Er tastete nach dem Lichtschalter und dachte daran, wie es wäre, wenn sie sich unter normalen Umständen hier in dieser Suite befänden. Dann senkte sich die Dunkelheit herab.
17
A ls Kilian um neun Uhr aufwachte, fand er das Bett neben sich leer vor. Nur ein einzelnes schwarzes Haar auf dem Kissen bestätigte ihm, dass seine wirren Traumfetzen realer gewesen waren, als er es sich vielleicht gewünscht hätte.
Er duschte kalt, um die Müdigkeit zu vertreiben. Danach telefonierte er mit dem deutschen Konsulat in Málaga und brachte in Erfahrung, dass der Leichnam seines Bruders immer noch nicht freigegeben war. Die Ergebnisse der Untersuchung aus dem toxikologischen Institut in Sevilla, die für den Abschluss des Obduktionsberichts notwendig waren, seien noch ausständig. Die Konsulatsbeamten teilten ihm außerdem mit, dass er nicht darauf warten müsse, falls er zurück nach Deutschland fliegen wolle. Sie würden sich um alles kümmern und seine Anwesenheit sei nicht länger vonnöten. Er bedankte sich bei Frau Schimmler, der zuständigen Sachbearbeiterin, versicherte ihr aber, dass er so lange bleiben würde, bis der Tod
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