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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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Sevilla am besten speisen konnte. Eines dieser Lokale war mit Bleistift eingekreist. Er blätterte bis zum Foto einer beleuchteten Kathedrale, auf deren Turmspitze der Vollmond, der die Stadt in geheimnisvolles Licht tauchte, aufgespießt zu sein schien. Die gleiche Kathedrale, jedoch während des Tages aufgenommen, fand sich auch als Hintergrund auf Xavers erstem Foto aus Sevilla. Doch der Vordergrund war es, der Kilian die Kamera beinah aus der Hand fallen ließ. Er musste den Apparat mit beiden Händen halten, als wäre dieser mit einem Mal so schwer wie die Schwenkkamera eines Fernsehstudios. Kilian stützte seine Ellenbogen auf den Schreibtisch und zoomte das letzte Bild heran, bis nur noch ein Gesicht das Display ausfüllte – und sein Bruder Xaver ihm aus dem kleinen Bildschirm entgegenlächelte.
    Tränen traten ihm in die Augen. Er erhob sich und ging auf die Terrasse, wo sich sein Blick eine Weile im Meer verlor, bis sein Körper ihm zu schwer wurde und er auf die Sonnenliege fiel, als hätte ihn eine Welle des Kummers von den Füßen gespült. Dunkle Wolken verdeckten den Himmel. Endlich! Sonnenschein und Trauer passten nicht zusammen. Was hatte er erwartet, als er durch die Fotos der Kamera blätterte? Ausschließlich Aufnahmen von Szenarien der andalusischen Landschaftsvielfalt? Dass aber Xaver ihn ein letztes Mal aus der Kamera anlächelte, daran hatte er nicht gedacht. Und auch nicht daran, wie schmerzvoll dieses Wiedersehen sein könnte. Was genau fühlte er bisher? Wirkte der Schock über den plötzlichen Tod des Bruders wie ein Serum gegen seine Trauer? Ein Schock, der jetzt langsam nachließ, und endlosem Kummer wich?
    Kilian spürte Regentropfen auf seiner Stirn und dachte daran, dass er nie mehr wieder mit Xaver eines ihrer langen Gespräche führen könnte, welche in der Regel am Donnerstagabend in ihrer Stammkneipe stattfanden. Sie würden sich kein erbittertes Tennismatch mehr liefern. Sie würden sich nicht zusammen auf den Berlin-Marathon vorbereiten. Sie würden auch nie mehr gemeinsam zum Oktoberfest gehen. Diese Zeiten waren vorbei. Für immer! Xavers Platz in seinem Leben konnte nicht ersetzt werden. Er hatte nur diesen einen Bruder. Kilian ließ seinen Tränen freien Lauf. Alles kam ihm so sinnlos vor. Der Tod seines Bruders und sein verzweifelter Versuch, diesen Tod aufzuklären. War das nicht Aufgabe der Polizei? Hatte die Guardia Civil Xavers Reise rekonstruiert, wie er es gerade tat? Einen Schmarrn hatten sie! Die hatten doch nicht einmal das Fahrzeug, mit dem Xaver die letzten Tage seines Lebens unterwegs gewesen war, untersucht. Auch den Zigaretten würden sie nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken, weil sie sich schon festgelegt hatten, dachte er verbittert. Für die Polizei war es ein Suizid und der Fall somit erledigt. Aber hätten die Beamten dieses Foto gesehen, würden sie bestimmt anders denken. Er sollte es ihnen eigentlich zeigen, sollte am besten ein Poster davon anfertigen lassen und es in der Polizeistation direkt neben das Foto ihres Königs an die Wand pinnen. Der fröhliche Xaver Huber aus Deutschland, eine Woche vor seinem Suizid! Er musste mit jemandem sprechen und wunderte sich, dass sein erster Gedanke Joana galt. Warum nicht Philipp, seinem Geschäftspartner und Freund?
    Er warf einen Blick hinunter zum Swimmingpool, wo die Urlauber nun unter erhobenen Badetüchern Zuflucht vor dem Regen im Hotel suchten, dann wischte er sich mit dem Ärmel sein Gesicht trocken und wählte die Nummer der Rezeption. Es dauerte eine Weile, bis sein Anruf von einer männlichen Stimme beantwortet wurde, die den Eindruck vermittelte, jemand sei bei seiner Arbeit unterbrochen worden und könne seinen Unmut darüber kaum verbergen. Kilian legte auf. Er wollte mit Joana oder Maite sprechen und nicht mit dem Hoteldirektor.
    Er setzte sich aufs Bett und überlegte. Immer noch unentschlossen verließ er den Raum und traf im Flur auf ein Zimmermädchen, das gerade einen Reinigungswagen aus dem Raum mit der Nummer 515 schob. Sie begrüßte ihn mit »Buenos días« und blickte skeptisch auf seine Tür, dann verglich sie die Nummer mit einer Liste auf ihrem Wagen, schüttelte den Kopf und nuschelte etwas auf Spanisch, das er nicht verstand. Sein Zimmer war in ihrer Liste wohl eigentlich als unbewohnt und sauber verzeichnet. Das adrett gekleidete Reinigungsmädchen zuckte mit den Achseln und kam mit dem Putzkarren auf ihn zu. »Glinink. Glinink?«, fragte sie dabei.
    Kilian winkte ab: »No

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