Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
sprechen. Kein belangloses Geplapper über Gott und die Welt oder den FC-Bayern, sondern sich gründlich mit seinem Bruder austauschen. Hatten sie überhaupt jemals wahrhaftig miteinander gesprochen?
Über Riedhofen nur das eine Mal bei der Versöhnung am Weihnachtsmarkt, danach war dieses Gesprächsthema in den schattigen Münchner Biergärten tabu, und jeder musste mit seinen Kindheitserinnerungen alleine zurechtkommen.
Mit einem Ruck setzte er sich auf. Mit seinem Bruder konnte er zwar nicht mehr sprechen, aber mit etwas Glück … Kilian schnürte seine Timberlands, griff sich Xavers saftloses Handy und stürmte aus dem Zimmer.
Wenn man jemanden auf eine Weise kennenlernte wie sein Bruder den Dänen, dann tauschte man bestimmt auch Telefonnummern aus, dachte er, ignorierte die offenstehende Lifttür und sprang die Treppenabsätze hinunter. Und diese Nummern schrieb man gewöhnlich nicht mehr auf einen Zettel, sondern speicherte sie gleich im Handy ab.
Kilian konnte es kaum noch erwarten, im Ort ein passendes Ladegerät zu kaufen. Und dann würde er sich den Hauptverdächtigen im Fall Xaver Huber persönlich am Telefon vorknöpfen.
21
Z wei Polizisten kamen ihm entgegen, als er nach draußen zu seinem Auto ging, um gemütlich eine Zigarette zu rauchen. Er nickte den Beamten zu, wurde aber ignoriert, als diese, in ein Gespräch vertieft, an ihm vorbei in Richtung Hoteleingang zogen.
Er setzte sich in sein Auto, schloss die Tür und versuchte dann durch die getönten Scheiben zu erkennen, wohin sie sich im Hotel wandten. Gut. Sah nicht so aus, als ob sie ihn suchten. Er zündete sich eine Zigarette an und sah zu, wie sich die Glut durch das Papier fraß. Die Bullen wussten offenbar noch nichts, ansonsten wären sie schon viel früher gekommen. Vor zwei Jahren schon .
Aber es lag nicht an ihm allein.
Die kleine Schlampe musste dichthalten und genau darüber machte er sich in letzter Zeit richtig Sorgen. Es war ein ziemliches Scheißgefühl, von jemandem abhängig zu sein. Noch dazu von dieser seelisch labilen Göre. Würde sie nach dieser langen Zeit ihr Plappermaul doch noch aufmachen, wäre er geliefert, das war ihm klar. Und genau damit drohte ihm die dumme Kuh in letzter Zeit.
Ein wenig beruhigte er sich: Sie wollte ihn wahrscheinlich nur erpressen, um ihn weiter an sich zu binden. Na, das war ihr die letzten beiden Jahre ja auch gelungen, aber jetzt war es endgültig vorbei, nur sie wollte es nicht kapieren, nicht einmal mit seinen »schlagkräftigen« Argumenten. Und so war er weiterhin auf diese Schlampe angewiesen und daran würde sich auch nichts ändern, es sei denn …
Er blies Rauch in den Rückspiegel und drückte seine Zigarette aus. Wenn die Göre redete, musste er handeln, aber dann war es eigentlich schon zu spät. Oder war es etwa schon zu spät?
Genau das war das Problem.
Er konnte nicht wissen, wann es aus der Kleinen herausbrach. Sie hatte bereits etwas angedeutet. Sie werde die Familie informieren . Was zum Teufel sollte das denn bedeuten? Welche Familie? Carmens Familie? Inmaculada und Joana?
Joana turtelte mit diesem Deutschen in Zimmer 512, wie er herausgefunden hatte, als er den Typen kürzlich über die Nottreppe verfolgte. Es könnte wichtig werden zu wissen, wo die beiden sich ihr Liebesnest eingerichtet hatten, denn wenn sie weiter hier so herumschnüffelten, musste er auch an dieser Front etwas unternehmen. Allerdings würde ein simpler »Denkzettel«, wie er ursprünglich geplant hatte, jetzt kaum noch reichen, um den liebestollen Deutschen zu vertreiben.
Er dachte wieder an seine junge Klette. In letzter Zeit war sie in ihrer bescheuerten »verletzten Liebe« dermaßen launisch, dass er das Schlimmste befürchtete. Irgendwann würde ihm nichts anderes mehr übrig bleiben, als vorzusorgen. Aber wie? Mit Drohungen und Schlägen wie bisher? Und wenn das nicht ausreichte?
Er steckte sich eine weitere Zigarette an und blickte auf Almuñécar hinab. Seit dieser verfluchten Nacht verspürte er nichts als Panik, wenn er Uniformierte sah. Bei jeder Fahrzeugkontrolle stand er kurz davor, die Nerven zu verlieren. Und in letzter Zeit wurden seine Nerven auf eine deutlich zu harte Probe gestellt: Erst krepierte der Deutsche, dann wurde er selbst von der Guardia Civil befragt und jetzt war das Hotel schon wieder voller grüner Uniformen, die nach Inmaculada ausschwärmten, weil diese angeblich vermisst wurde. Gerade eben hatten die Bullen ihn schon wieder ausquetschen wollen.
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