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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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Tragödie.
    Eigentlich hätte es Anselm überraschen müssen, als er von Elizabeth’ Herkunft erfuhr, aber so war es nicht (sagte er und betrachtete den hart gefrorenen Rasen). Ihre Lebensweise ergab nun einen Sinn: die Einteilung in separate Lebensbereiche, ihr Feuereifer bei der Strafverfolgung und ihr Einfallsreichtum, der das alles überspannte. Rückblickend konnte Anselm sich vorstellen, wie sie im Stillen die Knotenpunkte ihrer Geschichte verarbeitete, zum Beispiel als sie, die ihren Vater verloren hatte, ihm den Verlust seiner Mutter entlockte. Sie hatten über die Umstände und die Bedeutung gesprochen, aber die Lehren hatte sie anderswo angewandt. Von Anfang an hatte kindlicher Kummer sie verbunden, auch wenn er es nicht gewusst hatte. Vielleicht hatte sie sich deshalb – instinktiv – an ihn gewandt, als sie »Riley« auf der Prozessakte stehen sah und den Namen David George Bradshaw in der Zeugenliste las. Sie musste erkannt haben, worauf Riley hoffte: dass er durchaus Erfolg haben könnte; dass er es nur schaffen konnte, wenn Elizabeth die Identität opferte, die sie sich so sorgfältig aufgebaut hatte. Aus beruflicher Sicht hatte Elizabeth in diesem einen Prozess ungesehen von der Öffentlichkeit und ihren Kollegen Selbstmord begangen: Sie hätte den Fall abgeben müssen; sie hätte wahrscheinlich noch weiter gehen und enthüllen müssen, was sie von ihrem Mandanten wusste, »diesem verdorbenen Werkzeug«. Es gab viele Muss, aber sie reichten nicht aus, wenn man sie gegen ihren Selbsterhaltungstrieb abwog. Oder war es – um gerecht zu sein – nur ein weiterer Mord, für den man Riley nie würde zur Verantwortung ziehen können? Wie von Anfang an war Anselm Elizabeth auch jetzt durch eine Trauer verbunden, die er nicht ganz begriff. Ihre letzten Worte, die sie vor ihrem Tod auf einen Anrufbeantworter gesprochen hatte, erschienen nun widersinnig: Überlassen Sie es Anselm.
    »Was soll ich denn tun«, fragte Anselm, tief durchatmend, »die Scherben zusammenfegen? George die Grenzen des Rechts erklären – als ob er sie nicht schon kennen würde?«
    »Nein«, sagte der Prior geduldig, »die Nachricht bezog sich auf ein Projekt, von dem sie bereits wusste, dass es gescheitert war, sonst hätte sie die Polizistin nicht angerufen. Es waren Worte der Hoffnung, die Inspector Cartwright drängten, allem Anschein zum Trotz zuversichtlich zu bleiben.«
    »Bleibt die Frage«, sagte Anselm mit gespielter Gereiztheit, »was ich tun soll?«
    »Manchmal hilft es, die Zeitebene zu ändern«, sagte der Prior und rückte seine Brille zurecht. »Was solltest du tun?«
    »George suchen«, antwortete Anselm gewieft, denn das war ihm gelungen, bis er ihn wieder verloren hatte. (Vor der Heimreise hatte er am Trespass Place nachgesehen, Nachrichten in sämtlichen Obdachlosenasylen Londons hinterlassen und einen Brief an Herrn F. Hillsden geschrieben.)
    »Was sonst noch«, fragte der Prior automatisch. Seine Aufmerksamkeit war offenbar von anderen Gedanken in Anspruch genommen.
    »Mrs. Dixon besuchen.«
    Anselm dachte über diese beiden Pflichten nach, während der Prior mit der Büroklammer an seiner Brille herumspielte. Langsam wie Flusswasser, das klarer wird, fing Anselm an, Elizabeth’ letzten Wunsch zu begreifen. Die Antworten auf die Fragen des Priors hatten George und Mrs. Dixon Seite an Seite gestellt. Und so gesehen, wurde die Verbindung zwischen ihnen stärker.
    Mrs. Dixon mit ihren einzelnen lang gezogenen Vokalen stammte aus Nordengland. Sie hatte ihren Sohn verloren. Sie hatte wieder geheiratet. Sie stand auffallend abseits von Elizabeth’ Vergeltungsplänen.
    George war aus einem guten Elternhaus im Norden weggelaufen und hatte eine Wahrheit hinter sich gelassen, die damit nicht aus der Welt war. Aber Georges Vater konnte durchaus inzwischen gestorben sein. Damit wäre der Mutter die Last der Loyalität abgenommen. Vielleicht hatte sie mit einem anderen Mann ein neues Leben angefangen. Diese Frau könnte Mrs. Dixon sein … sie musste es sein.
    Überlassen Sie es Anselm, dachte er aufgeregt und dankbar.
    Wer wäre besser geeignet, George an seinen ersten Ausgangspunkt zurückzubringen, als Anselm, dessen Frage so tief in die Geschichte der Bradshaws zurückgereicht hatte? Elizabeth hatte die Mittel vorbereitet, durch die Anselm seine eigene Reue tätig umsetzen konnte.
    Überlassen Sie es Anselm.
    »Darf ich Mrs. Dixon aufsuchen«, fragte Anselm den Prior eifrig.
    »Ja.« Mittlerweile musterte er den

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