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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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Innenhof, als habe der Wohltäter einen schriftlichen Bericht mit mehreren Anhängen angefordert. »Wie lauteten Elizabeth’ Anweisungen«, fragte er und stand auf.
    »Unangemeldet hingehen und zuhören, statt reden.«
    »Kluger Rat«, antwortete der Prior. Er lächelte milde und schlurfte mit beiden Händen im Gürtel durch den Kreuzgang.
     
    Anselm ging ins Büro des Quästors, um nach der Post zu sehen, und hoffte frischen Tabak zu finden, den Louis ihm bei seinen Erledigungen heimlich aus dem Dorf mitbringen sollte. Unterwegs dachte Anselm über Nicholas Glendinning nach. Er brauchte nicht zu erfahren, was Schwester Dorothy Anselm erzählt hatte. Das alles war lange her. Und seitdem war Elizabeth ein völlig anderer Mensch geworden. Die Wahrheit musste nicht gesagt werden, dachte er unbehaglich.
    Während Anselm noch über dieses Dilemma grübelte, erreichte er sein Brieffach. Zwei Dinge lagen darin: ein brauner, mit Klebeband verschlossener Umschlag von Louis und ein Brief ohne Absender, abgestempelt in London. Er öffnete ihn und las:
     
    Lieber Pater Anselm, bitte bringen Sie George so bald wie möglich nach Hause.
    Hochachtungsvoll Ihre Emily Bradshaw
     
    Er faltete den Brief zusammen und murmelte ein Gebet, das Gott mehrere Möglichkeiten ließ wie bei einer Multiple-Choice-Aufgabe: dass George den Weg nach Mitcham finden möge; dass jemand Larkwoods Adresse in seinem Notizbuch lesen möge oder dass Mr. Hillsden noch einmal Glück haben möge. Trotzdem fühlte Anselm sich unbehaglich, obwohl er dem Jubel hätte nahe sein müssen. Es lag an dem Bild, wie der Prior auf den Innenhof gestarrt und berührenden Gedanken nachgehangen hatte.

2
    NANCY HATTE DEN ganzen Tag Zeit, den Laden aufzuräumen, denn Prosser kam erst nach Ladenschluss, um den Handel mit Riley perfekt zu machen. Dieser Raum der Riesenrätsel wurde verkauft. Das Holpern der Autos über den Höcker an der Brücke, der Blick auf den Schotter am Bahndamm, das Bimmeln der Türglocke: das alles war bald vorbei. Riley war beim Makler, um den Verkauf des Bungalows zu arrangieren. Die Welt, die sie gekannt hatte, ging zu Ende. Sie würden an die See fahren.
    Fast ihr Leben lang war Brighton für Nancy Gegenstand ihrer Träume gewesen. Allein schon das Wort hatte etwas Strahlendes. Es war der Ort ihrer Kindheitserinnerungen an Mum und Dad, Fisch und Chips in Zeitungspapier und Warnungen vor Onkel Berties ausschweifenden Gewohnheiten. Und jetzt kam es ihr vor, als sei der Pier weggebrochen, triebe aufs Meer hinaus, und ihre Erinnerungen jagten hinterher wie schwindende Möwen. Niedergeschlagen legte sie das Gesicht in die Hände: So vieles blieb ungelöst, unerledigt, unausgesprochen.
    Als die Türglocke bimmelte, drehte sie sich um.
    »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden, Nancy.«
    Mr. Bradshaws Mantel war steif und zerknittert vor Frost. Sein Bart war dichter geworden, seit sie ihn zuletzt auf der Polizeiwache gesehen hatte. Die Schweißerbrille war weg, und seine Augen wirkten blass und schutzlos.
    »Bitte noch nicht sofort«, bat sie. »Wärmen Sie sich ein letztes Mal auf.«
    Mr. Bradshaw setzte sich auf einen kleinen Bürostuhl, während Nancy den Gasofen anzündete. Als die warme Luft die Fenster triefen ließ, sagte George etwas, was er sich nicht zurechtgelegt haben konnte (denn Nancy wusste nur zu gut, dass ihm das nicht möglich war).
    »Als ich das erste Mal herkam, hatte ich nicht vor Sie zu betrügen.« Er rieb sich die Hände. »Ich habe mich für einen anderen ausgegeben, aber ansonsten habe ich Ihnen nur die Wahrheit über mich erzählt. Es hat keine Lügen zwischen uns gegeben.«
    »Danke.«
    Mr. Bradshaw schob seine Stiefel näher an den Ofen, dass die Kappen zu dampfen anfingen. So werde ich Sie immer in Erinnerung behalten, dachte Nancy: dampfend, als hätte man Sie zum Trocknen aufgehängt.
    »Ein alter Mann hat mir mal eine goldene Regel gesagt«, erzählte Mr. Bradshaw. »›Sei nie lauwarm, alter Freund‹, sagte er. ›Das ist der einzige Weg zu Gnade oder Vergeltung.‹ Deshalb bin ich hier, Nancy. Ich bin damals aus dem Gerichtssaal gegangen, und das hier war meine letzte Chance, zurückzugehen und es wiedergutzumachen. Ich habe es wohl nicht geschafft, aber es ist etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hätte, und dafür war das Verlieren der Mühe wert: Ich hatte nicht damit gerechnet, Ihr Freund zu werden.«
    »Danke«, sagte Nancy herzlich. Vor Rührung konnte sie nicht viel sagen. Sie schaute

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