Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
Vom Netzwerk:
sagte: »Erinnerst du dich an Mrs. Riley?«
    »Ja.«
    »Sie heißt Nancy. Sie hörte sich die Verlesung der Anklageschrift an und verließ dann den Gerichtssaal, genau wie du.«
    George erinnerte sich an den Hut – gelb mit schwarzen Punkten –, der heruntergezogen war wie ein Stahlhelm.
    Elizabeth erzählte, dass Rileys Anwalt, Mr. Wyecliffe, ein äußerst intelligenter Mann sei. Sie hatte ihn gebeten, mit Nancy zu sprechen, um vielleicht von ihr eine Zeugenaussage über Rileys untadeligen Charakter zu bekommen. Heikel war allerdings, dass niemand wusste, was Nancy im Kreuzverhör sagen könnte. Letzten Endes hatten sie beschlossen, Nancy nicht in den Zeugenstand zu rufen: Sie würde nur Rileys Frauenhass offenbaren.
    George sagte: »Sie ist verrückt.«
    »Sie vertraut ihm, das ist alles«, wandte sie tadelnd ein.
    »Vielleicht sieht sie noch Spuren von früher, von etwas, was verloren gegangen ist.«
    Eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort.
    »Als ich dich das erste Mal unter der Feuerleiter gesehen habe, habe ich dich nicht wiedererkannt«, überlegte Elizabeth harmlos.
    »Ich schlafe seit Jahren schlecht. Das verändert einen.«
    »Selbst bei Tageslicht sahst du völlig anders aus«, sagte sie.
    »Etwas ist verschwunden, etwas, was sich nicht fassen und in deinem Heft festhalten lässt. Riley würde dich auch nicht wiedererkennen, wenn du ihm über den Weg laufen solltest.«
    George schaute rasch auf.
    »Er ist immer noch ein Krimineller, wie er es schon immer war«, sagte sie und pickte mit ihrem manikürten Finger Toastkrümel auf. »Nancy ist der Schlüssel, das zu beweisen. Vielleicht können wir alle etwas wiedergutmachen. Was hältst du davon?«
    Sobald Elizabeth fort war, ging George zurück nach Trespass Place und schrieb alles in Heft 35 auf.
    George saß mit der Schweißerbrille im Haar unter der Feuerleiter und las seinen Bericht über dieses Treffen. Es war der Anfang eines Komplotts – das Elizabeth sich damals allerdings schon fertig zurechtgelegt hatte. Aber für ihre Pläne brauchte sie seine Mitwirkung. Sobald er ihre Aufforderung niedergeschrieben hatte, war es, als ließe sich alles Schlechte, das seit dem Prozess passiert war, durch einen großen Schluss verwandeln. Elizabeth hatte erklärt: »Wenn wir für ein gutes Ende sorgen, verändern wir alles bis zurück zum Anfang. Es ist fast wie Magie. Das hat mir ein Mönch gesagt.«
    Der Mönch, der nicht aufgetaucht war, dachte George und schaute auf den Torbogen am anderen Ende des Hofs. Schon seit Tagen hatte er nicht mehr geschlafen. Benommen zählte er die Striche an der Wand. Dann zog er sich hoch, setzte seine Schweißerbrille auf und trottete in die Sonne. Seine Schuhe waren aufgeplatzt und die Schnürsenkel ausgefranst. Sie lösten sich beim Gehen. Auf der Old Paradise Street fiel er hin, ein Bein landete in der Gosse. Er hörte das Getrampel von Füßen: hektische hohe Absätze, den gemessenen Schritt von Militärstiefeln, das Glucksen von Turnschuhen. Manche wurden langsamer, einige blieben stehen, andere sprachen; aber der Strom der Füße floss weiter, angezogen von einem Meer dringender Verpflichtungen.
    In dem Strom hörte George vertraute, bummelnde Schritte näher kommen … ein Tapsen von kleinen roten Sandalen. Er träumte. Die Knöchel kamen in Sicht: weiße Haut auf zarten Knochen; bläuliche Venen, hervorgelockt vom Wind, der von den Wellen herüberwehte. Das kupferrote Haar des Jungen tanzte. George hob eine Hand von den Gehwegplatten, streckte sie aus und sagte: »O John.«
    Der Wachtraum nahm seinen Lauf. Es war, als schaue er sich ein Familienvideo an.
     
    George nahm seinen Sohn auf dem Pier in Southport an der Hand. Es war stürmisch. Der Wind trieb die Möwen umher, als seien sie mit Schnur an den Geländern festgebunden. Ab und an fielen sie wie Steine herunter, landeten aber sanft auf weggeworfenen Brotkrusten. George suchte sich eine Bank, und John kletterte neben ihn und klopfte ihm auf die Knie.
    »Was gibt’s zu Mittag, Dad?«
    George holte eine Dose aus der Plastiktüte, die Emily gepackt hatte.
    »Lachs.«
    »Lecker, Dad.«
    »Da hast du Recht, mein Sohn.«
    Sie saßen nebeneinander und beobachteten die Passanten. George streifte seine Schuhe ab und wackelte mit den Zehen. John schlenkerte mit den Beinen in der Luft.
    Die kühle Sonne neigte sich im Westen. George schaute auf die Uhr: Es war Zeit, ins Hotel zurückzugehen. Emily wartete. »Komm, Junge«, sagte er verzagt. Er wollte nicht, dass diese

Weitere Kostenlose Bücher