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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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Nick. Der Glaube seiner Mutter hatte nicht zu ihrem gemeinsamen Terrain gehört. Er war eher eine Art Parallelkontinent mit strengen Grenzkontrollen auf beiden Seiten.
    Der Mönch schüttelte den Kopf.
    »Was meine Mutter mir sagen wollte, hängt, glaube ich, mit diesem Koffer zusammen. Deshalb habe ich ihn geöffnet, bin jetzt aber kein bisschen schlauer.«
    »Das überrascht mich nicht«, antwortete Pater Anselm. Er streckte seinen Arm auf dem Tisch nach seinem Besucher aus. »Als Ihre Mutter mir den anderen Schlüssel gab, bat sie mich, Ihnen zu helfen, das zu verstehen, was sie nicht erklären konnte.«
    Nick spürte eine Woge der Erleichterung. Er wartete auf die Erklärung für die Geheimniskrämerei und die Vorkehrungen. Aber der Mönch lächelte ihn nur weiter milde an. Mit einem Mal wurde Nick klar, dass er auf den Koffer wartete. Verwundert fragte er: »Sie wissen nicht, was da drin ist?«
    »Nein, ich habe keine Ahnung.«
    »Sie hat Ihnen einfach nur einen Schlüssel gegeben?«
    »Genau«, bestätigte Pater Anselm ruhig und weise. Ein ähnliches Auftreten hatte Nick sich angewöhnt, um Todkranke zu beruhigen. Er schob den Koffer über den Tisch. Pater Anselm legte den Inhalt in einer ordentlichen Reihe aus und runzelte die Stirn. »Riley«, murmelte er angewidert. Er fing mit der Aktenmappe an. Ohne Brille musste er anscheinend blinzeln. Langsam blätterte er die Seiten um. An einer Stelle sagte er: »Cartwright …« Achselzuckend las er den Zeitungsausschnitt, warf einen flüchtigen Blick auf die Prozessakte und sah den Zusammenhang. Schließlich öffnete er den Brief und sagte: »Den habe ich noch nie gesehen.« Er legte den Kopf zurück und las laut:
     
    Sehr geehrte Mrs. Glendinning, sehr geehrter Mr. Duffy, ich dachte immer, wenn ich anfangen würde, einem von Ihnen zu schreiben, könnte ich nie wieder aufhören. Was ich Ihnen sagen will, hat keinen Anfang und kein Ende. Aber dann dachte ich, wieso soll ich Ihnen nicht einfach mal sagen, was passiert ist, als der Prozess vorbei war und wir nach Hause gefahren und Sie in ein Restaurant gegangen sind?
    Wir haben unseren Sohn verloren. Mein Mann ist völlig am Ende. Und bei alledem habe ich mich verloren, falls das überhaupt noch zählt.
    Mr. Duffy hat gefragt: ›Was hat David getan, das George vergessen wollte?‹ Das fanden Sie wahrscheinlich ziemlich schlau. Er hatte kein Recht, das zu fragen, nicht das geringste Recht. Glauben Sie ja nicht, nur weil Sie eine Perücke tragen, hätten Sie nichts damit zu tun, was schief gegangen ist. Da irren Sie sich gewaltig. Ich weiß nicht, was für ein Gewissen Sie haben müssen, dass Sie einfach zur Tür rausgehen können. Wie können Sie nachts noch ruhig schlafen, nachdem Sie für einen Mann wie Riley eingetreten sind? Hochachtungsvoll Emily Bradshaw
     
    Pater Anselm legte alles wieder in den Koffer.
    »Und?«, fragte Nick.
    Pater Anselm setzte seine Brille wieder auf und sagte bedauernd: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich nach Ansicht Ihrer Mutter dazu sagen sollte.«
    »Warum hat Sie Ihnen dann einen Schlüssel gegeben?«
    »Ich nehme an, weil ich mit dem Fall zu tun hatte.«
    »Aber wieso hat sie ihn vor mir und meinem Vater versteckt?«
    »Ich weiß es nicht.« Pater Anselm trommelte perplex, aber schweigend auf den Kofferdeckel. Ein anderer Mönch kam mit einem Weidenkorb durch das Tor, watete in das Kräuterdickicht und begann, mit einer Schere Blätter abzuschneiden.
    »Kräuterarzneien«, erklärte Pater Anselm leise. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirken.«
    »Wer war Riley?«
    »Ein Hafenarbeiter.« Er griff wahllos Einzelheiten heraus.
    »Er war Kranführer. Schauermann. Angeblich Zuhälter. Drei Zeuginnen sagten, er arbeitete für den Pieman.«
    »Wer ist das?«
    »Nur ein Name in den Akten.«
    Nick schaute flüchtig zu dem anderen Mönch hinüber, der vor sich hin summte und schnipselte. Ein Duftgemisch wehte zu ihnen herüber. »Pater, was war so Besonderes an diesem Prozess?«
    »Nichts.« Sein Stirnrunzeln zeigte, dass er sich dieselbe Frage stellte. Der Mönch schob beide Arme in die Ärmel seines Habits, bis sie eine Art Schlinge über seiner Brust bildeten. Er wandte den Blick ab in das Dickicht der Heilkräuter. »Das einzig Denkwürdige an dem Prozess war das Ende.«
    »Was ist passiert?«, hakte Nick nach.
    »Ich nahm den Hauptzeugen, einen Mann namens Bradshaw, ins Kreuzverhör. Er benutzte seinen zweiten Vornamen, George, statt seines ersten Vornamens David. Ich

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