Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
ihm tauchte Elizabeth auf.
»Ich kann bezahlen, das weißt du.« Sie klang bekümmert.
»Ich bin noch nicht so weit.« Er verstand seine eigenen Worte nicht. Nino schon. Es war Teil des Rätsels, zu viel verloren zu haben.
Sie drängte ihn nicht. Mühsam brachte sie heraus: »Wir treffen uns zwei Mal wöchentlich am Lawtons Kai.«
»Alles klar.«
Das Taxi raste durch die nebelverhangenen Straßen auf die gelblichen Lichter von Bow zu, das fünf Minuten entfernt lag. Es setzte George an einer Fischbude nahe einer Brücke ab. Nancys Laden – ein Holz- und Wellblechschuppen – stand auf der anderen Straßenseite. Durch die offene Wagentür des Taxis drückte Elizabeth George zwanzig Pfund in die Hand. Dann war sie verschwunden.
George suchte nach Plätzen, wo der Wind sich legen würde – das hatte Nino ihm beigebracht – und fand unter der Brücke etwas Pappe. Er kletterte die grasbewachsene Böschung wieder hinauf und richtete sich in Nancy Rileys Hauseingang ein. Gegen die Kälte baute er dichte Schutzwände auf. Dann schrieb er die Ereignisse des Tages in Heft 37 auf.
Am nächsten Morgen begegnete George Nancy Riley. Er hatte mit einer hartherzigen, unduldsamen Frau gerechnet. Aber ihr Gesicht war sanft und sie trug einen albernen Hut, ein gelbes Ding mit schwarzen Punkten. Sie sammelte den Pappkarton ein, als ob er etwas wert wäre, und holte George aus der eisigen Kälte ins Haus. Sie drehte einen Gasofen an und ging ins Hinterzimmer, um Tee zu kochen. Dicke Arme füllten die Ärmel einer klobigen Strickjacke. Sie schaute ihn mit großen Augen an, die zu lächeln schienen. Der Wasserkocher stand auf einem grauen Aktenschrank.
Durch die dunklen Gläser seiner Schweißerbrille musterte George die Schränke. Spiegel und Ornamente. Es sah aus wie in einem Wohnhaus; hier war nichts von Riley zu spüren. Hastig verließ er den Laden und lief zurück in den Hafen. Elizabeth kam am selben Abend auf die Werft.
»Ich kann es nicht«, sagte George. Nancy war ebenso verletzlich wie er, voller Hunger nach dem, was hätte sein können, genau wie er. Das alles stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Elizabeth schien weder überrascht noch interessiert. »Hast du einen Aktenschrank gesehen?«
»Ja.«
»Und ansonsten nur alte Möbel?«
»Ja.«
Elizabeth war zufrieden, als könnte sie ein Kästchen in einer Liste abhaken. »Ich bin froh, dass du aus dem Laden gegangen bist.«
»Wieso?« George war verdutzt. Er hatte Wut erwartet.
»Weil du jetzt weißt, womit du es zu tun hast. Sie muss eine ungewöhnliche Frau sein, dass sie Rileys Vertrauen gewonnen hat, ohne sich selbst zu verlieren. Vielleicht kannst du ihr helfen.«
»Wie?«
»Indem du sie in etwas hineinziehst, was sie niemals gutheißen würde, wenn du sie direkt darum bitten würdest. Leider geht das nicht ohne Täuschung.«
»Aber wieso?«
»Fällt dir eine andere Möglichkeit ein?«
Darauf wusste George keine Antwort. Er lauschte nur auf den Fluss, der am Kai leckte. Elizabeth ließ ihm einen Gaskocher und einen Karton Konservendosen da.
Eine Woche später ging George wieder zum Laden. Wieder holte Nancy ihn herein, damit er sich am Feuer aufwärmen konnte. Während sie einem Kunden half, ein paar Stühle in einen Lieferwagen zu laden, ging George ins Hinterzimmer. Die Schubladen des Aktenschranks waren deutlich beschriftet: eine mit »Rileys Altwaren«, die andere »Nancys Schatzkiste«. Im Nu hatte er zwei offiziell wirkende Mappen in eine seiner Plastiktüten gepackt.
»George«, sagte Elizabeth an jenem Abend auf der Werft, »ich möchte nicht undankbar erscheinen, aber dieses Zeug habe ich schon gesehen. Das sind die Jahresbilanzen für das Handelsregister.«
Elizabeth nahm Georges Notizbuch und schrieb auf, wonach sie suchte: An- und Verkaufsrechnungen für beide Firmen. Sie beschrieb ihm, wie sie aussehen müssten.
»Halt dich eine Woche fern, George.«
»Warum?«
»Weil es hier mehr um Liebe als um Betrug geht, musst du so tun, als wärst du schwer zu kriegen.«
Dann fuhr sie mit einem Taxi nach Hause, das vor dem Zaun auf sie wartete.
Als George das nächste Mal in Bow auftauchte, freute Nancy sich offensichtlich, ihn zu sehen; vielleicht war sie sogar erleichtert. Wieder kochte sie Tee. Sie sprachen über das Wetter. Immer wieder starrte sie auf seine Schuhe. Nach zehn Minuten stand sie auf und kam mit einer Schüssel warmen Seifenwassers wieder. »Baden Sie Ihre Füße, Mr. Johnson.«
Es war das Paradies.
In den folgenden
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