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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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fragen Sie?«
    Er stopfte seine kleinen Hände in geräumige Taschen.
    »Dumme Frage, deshalb …«
    »… halten Sie sich aus dem Gerichtssaal fern?«
    »Genau.« Mr. Wyecliffe klang erstaunt.

4
    GEORGE SCHALTETE SEINE Taschenlampe ein und zählte die Striche an der Mauer. Seit er auf den Mönch wartete, kehrten seine Gedanken immer wieder zurück zu Lawton’s Kai, denn da hatten Elizabeth und er beim Plätschern des Flusses ihren Schlachtplan entworfen.
    An einem Freitag hatte sie gesagt: »Ich möchte morgen gern sehen, wo John ins Wasser gefallen ist.«
    Sie waren von Trespass Place auf die Isle of Dogs gegangen. Seite an Seite folgten sie einer dunklen Gasse, die zwischen hohen, stillen Lagerhäusern und unter galgenartigen Hebewerken hindurchführte. Sie gelangten auf eine weite Freifläche am Flussufer: das Gelände von H&R Lawton & Co (London) Ltd. Von der Firma war nur ein Messingschild geblieben, das an einem Kleiderbügel am Zaun hing. Nur der Maschendraht hielt die lockeren Zaunpfähle noch aufrecht. George und Elizabeth schlüpften durch ein großes Loch im Zaun, wie John es vermutlich ebenfalls getan hatte. Sie bahnten sich einen Weg über die Reste eines abgerissenen Lagerhauses in die Kälte, die von der Themse herüberwehte. Elizabeth ging George voraus auf den Landungssteg und sagte: »Du rächst diese Mädchen, George.« Die Wellen schlugen gegen die Holzpfähle.
    »Als du damals aus dem Gerichtssaal gegangen bist, hast du sie im Stich gelassen.«
    Ohne Georges Antwort abzuwarten, legte Elizabeth ihm dar, was sie brauchte.
    »Es gibt ganz sicher zwei Sätze Unterlagen – einen für jede Firma: die von Riley und die von Nancy. Das sind rechtlich getrennte Bücher. Sie sind sicher getrennt aufbewahrt.«
    »Alles klar.«
    »Die eine heißt ›Rileys Altwaren‹. Die andere heißt ›Nancys Schatzkiste‹.«
    »Alles klar.«
    »Sobald du sie gefunden hast, reden wir weiter.«
    »Alles klar. Und bis dahin?«
    »Sieh zu, dass du Nancy kennen lernst.«
    »Wie?«
    »Ich an deiner Stelle würde vor ihrer Haustür schlafen.«
    »Alles klar. Aber sie will bestimmt wissen, wie ich heiße.«
    »Richtig. Ich schlage vor, dass du dir einen Decknamen zulegst. Mr. Johnson. Wie findest du das?«
    Die Anspielung auf Johns Vornamen fegte jegliches Geplänkel fort. Deshalb war Elizabeth also auf diese Werft gekommen, dachte George, an einem Samstag, abends. Es ging ihr darum, John in den Mittelpunkt ihrer Pläne zu rücken. Sie machte es schon wieder: Sie schuf einen passenden Rahmen für das, was sie sagen wollte, wie mit dem Toast und dem Kakao. Dieses Mal ging es um das, was sie zusammen tun würden. Sie benutzte diese Zeremonien, um die Vergangenheit aufzurühren und ungewöhnlich lebendig zu machen. George konnte es nicht recht in Worte fassen, aber er hatte das Gefühl, dass es etwas Heilsames hatte, die Vergangenheit wiederaufleben zu lassen, auch wenn es sein Versagen wieder deutlich machte. Alles, was sie gemeinsam taten, geschah somit im prickelnden Gefühl der Nähe zu Menschen, die ihm einmal nahe gestanden hatten: die Mädchen, die George verraten hatte, und der Sohn, den er verloren hatte.
    »Mr. Johnson hört sich gut an«, sagte George.
    »Dann lass uns anfangen.«
    Eine Hupe ertönte drei Mal. Es war das Taxi, das Elizabeth nach Hause fahren sollte.
     
    Ein paar Tage nach diesem Gespräch brachte ein anderes Taxi George und Elizabeth vom Trespass Place auf die Isle of Dogs. Sie waren übereingekommen, dass er besser näher an Nancys Laden in Bow bleiben sollte, der nicht weit von den alten Hafenanlagen entfernt lag.
    »Riley kommt einmal in der Woche am Donnerstagnachmittag«, erklärte Elizabeth. »Er bleibt etwa eine Stunde, um Möbel auszuladen oder Sachen umzuräumen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe ihn beobachten lassen.«
    »Wie lange?«
    »Sechs Wochen.«
    »Das hätte ich doch machen können.«
    »Nein … da hatte ich dich gerade erst gefunden.«
    Das Taxi wartete eine Stunde, während George zwischen den großen, leer stehenden Gebäuden herumstöberte. Die Mauerkronen waren mit Stacheldraht gesichert und die schwarzen Fensterlöcher mit Kaninchendraht verschlossen. Sämtliche Türöffnungen waren kreuz und quer mit Brettern vernagelt, aber in einer Gasse entdeckte George eine Schwingtür. Ihr gleichmäßiges Schlagen hatte ihn aufmerksam werden lassen. Der Raum dahinter war kahl wie eine Zelle, die Wände grünlich, als ob sie den Fluss aufsaugten. Es würde reichen. Hinter

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