Patricia - Der Kuss des Vampirs
nicht zu schätzen wüsste, aber haben Sie keine Angst, damit einmal an den Falschen zu kommen?« Seine Stimme klang jetzt wieder sanft, aber Pat ahnte nach den Erlebnissen der letzten Stunde schon, dass dies kein gutes Zeichen bei ihm war. Sie wich vorsichtshalber zurück, als er näher kam, fand sich zu ihrem Schrecken jedoch plötzlich mit dem Rücken zur Schlossmauer, die ihre weitere Flucht behinderte. Sie starrte ihn an, als er die Hand unter ihr Kinn hob und sie so zwang, ihn anzusehen.
Zu ihrem Erstaunen lächelte er plötzlich und Pat fühlte, wie eine Wärme ihren Körper ergriff, die sie in dieser Art noch nie zuvor gespürt hatte. Ihre Haut schien zu prickeln und sie fühlte sich so unwiderstehlich von Churthams Lächeln und seinen hellblau schimmernden Augen angezogen, dass sie die Augen schloss, um dem fremden Zauber zu entgehen. Seine Stimme klang ganz sanft und eindringlich. »Sie sollten vorsichtiger sein, Miss Smith. Sie mögen vielleicht Mut haben, aber begehen Sie niemals den Fehler, etwas zu unterschätzen, das Sie nicht kennen. Das Ihrem Wesen viel zu fremd ist, als dass Sie auch nur ahnen können, wie gefährlich es für Sie werden könnte.« Sie fühlte seine Hand, die wie ein Hauch über ihren Hals fuhr und hätte schwören können, seine Lippen auf ihrer Haut zu spüren. Als sie jedoch wieder die Augen öffnete, war sie alleine und weit und breit war nichts von ihm zu sehen.
Pat bemühte sich um Fassung und schlich dann, sich nach allen Seiten umsehend, die Schlossmauer entlang, immer gewärtig, dass entweder dieser Schlossherr oder gar die Fledermaus jederzeit wieder auftauchen konnten. Sie befand sich offenbar an der Rückseite, gleich neben einem der beiden Türme, die das Gebäude flankierten. Sie presste sich blitzschnell an die Mauer, als plötzlich, wie aus dem Nichts, ein schwarzes Pferd um die Ecke galoppiert kam, dessen Reiter sie unschwer als Lord Churtham erkannte. Er preschte in vollem Galopp und ohne sie zu beachten an ihr vorbei, als wären sämtliche Furien des Altertums hinter ihm her.
Sie lief erst weiter, als der Hufschlag verklungen war. Das Eingangstor war zum Glück unverschlossen und sie glitt hinein in die Halle und warf die Tür laut hinter sich zu. Dann rannte sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf, hetzte den Gang entlang und erreichte endlich ihr Zimmer, fest entschlossen, es erst bei hellem Tageslicht - oder noch besser, gar nicht - wieder zu verlassen.
Sie wusste wirklich nicht, was sie von ihrem seltsamen Arbeitgeber halten sollte, aber eines jedenfalls stand für sie mit unumstößlicher Sicherheit fest: Nämlich, dass der Earl of Barlem alles andere als ein Gentleman war.
Während sie Churtham in den ersten Wochen ihres Aufenthalts kein einziges Mal zu Gesicht bekommen hatte, geschah es nun täglich, dass er ihr am Abend, kurz bevor sie sich in ihr Zimmer zurückzog, entweder am Gang oder in der Halle begegnete. Sie hatte nach dem Tag, als sie ihm über die Geheimtreppe in diese grausige Gruft nachgeschlichen war, mit dem Gedanken gespielt, das Schloss zu verlassen, aber dann hatte sie es sich anders überlegt. Es war schwierig für sie, so schnell eine andere Arbeit zu finden. Und da es völlig inakzeptabel war, in das Haus ihrer Onkels zurückzukehren, musste sie wohl oder übel ausharren. Churtham machte bei diesen zufälligen Treffen ohnehin keine Anstalten, sie auch nur anzusprechen, sondern schien sie kaum zu bemerken und nickte ihr bestenfalls mit jener Herablassung zu, die ein Mann seines Standes einer tief unter ihm stehenden Untergebenen gegenüber zeigte. Pat verstimmte es insgeheim, dass er sie so offensichtlich übersah, zumal sie selbst sich zu ihrem eigenen Ärger in Gedanken viel zu viel mit ihm befasste.
Aber wenn ihr Lord Churtham selbst schon mysteriös schien, so gab ihr das Bild in der Bibliothek noch mehr Rätsel auf. Pat ertappte sich immer öfter dabei, wie sie während der Arbeit hochblickte, es anstarrte und dabei stets von Neuem über die Ähnlichkeit dieses vor zweihundert Jahren verstorbenen Mannes mit Lord Churtham verblüfft war.
Auch an diesem Abend, als sie nach dem Abendessen zurück in die Bibliothek gegangen war, um noch einige der Bücher zu sortieren, wurden ihre Blicke wieder wie magisch von dem kantigen Gesicht mit den scharfen, ein wenig dämonisch blickenden Augen angezogen. Der Maler hätte den jetzigen Earl of Barlem nicht besser und ähnlicher treffen können. Dieselben harten,
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