Patterson James
mich in die Tiefe
gezogen. Ganz entfernt hörte ich Fetzen in fremden Sprachen,
die ich nicht verstand. Dann sagte die Stimme: Das ist, weil du
es wissen musst, Max. Du musst es wissen.
D
er Ozean. Wieder eine neue und unglaubliche Erfahrung.
Wir waren bis vor vier Jahren in Laborkäfigen aufgewachsen. Bis Jeb uns gestohlen hatte. Danach hatten wir uns
versteckt und unter allen Umständen neue Erfahrungen vermieden.
Jetzt taten wir jeden Tag etwas Neues. Es war eine Abenteuer
reise.
»Eine große Krabbe!«, schrie der Gasman und deutete in die
Brandung vor seinen Füßen. Angel lief zu ihm. Sie hielt Celeste
so, dass deren Beine kaum das Wasser berührten.
»Plätzchen?«, fragte Iggy und hielt eine Tüte hoch.
»Hab nichts dagegen«, sagte ich. Am Morgen hatte ich mein
Äußeres ein wenig gemildert. Dann war ich mit Nudge in die
nächste Stadt gegangen. Wir hatten unsere Vorräte in einem
Tante-Emma-Laden aufgestockt, der selbstgebackene Plätzchen
verkaufte.
Ich machte es zu meiner Mission, Schokoladenplätzchen zu
finden, die so gut waren wie die, die ich mit Ella und ihrer Mom
gebacken hatte. Deshalb hatte ich gleich mehrere Dutzend
gekauft.
Ich biss vom Plätzchen ab und kaute genüsslich. »Hmmm«,
sagte ich und bemühte mich, nicht zu krümeln. »Deutlich
Vanille, etwas zu süße Schokoladenchips, eindeutiger Geschmack von braunem Zucker. Ein ordentliches Plätzchen, aber
nicht spektakulär. Was sagst du?«, fragte ich Fang.
»Ist okay.«
Manchen Menschen fehlt eben das gewisse Etwas, um gute
Plätzchen zu schätzen.
»Ich geb ihm sieben von zehn Punkten«, bohrte ich nach.
»Allerdings warm aus dem Ofen ist noch besser.«
Iggy lachte und wühlte in meinem Rucksack nach einem
Apfel.
Nudge kam. Ihre Sachen waren bis übers Knie nass. »Hier ist
es echt cool«, sagte sie. »Ich liebe das Meer! Wenn ich groß bin,
werde ich Wissenschaftlerin, die das Meer studiert. Dann fahre
ich aufs Meer hinaus und tauche und finde neue Dinge, und
National Geographic wird mir einen Job geben.«
Logisch, Nudge! Wahrscheinlich zu der Zeit, wenn ich
Präsidentin werde. Nudge lief zurück zum Wasser. Iggy stand
auf und folgte ihr.
»Sie sind hier glücklich«, sagte Fang und blickte ihnen
hinterher.
Ich nickte. »Es ist ja auch nichts dagegen zu sagen. Frische
Luft, Friede, Stille, der Ozean. Schade, dass wir nicht hier
bleiben können.«
Fang schwieg kurz. »Was, wenn wir hier sicher wären?«,
fragte er. »Zum Beispiel, wenn wir wüssten, dass uns hier
niemand etwas antun würde. Würdest du dann bleiben wollen?«
Ich war überrascht. »Wir müssen das Institut finden«, sagte
ich.
»Und wenn wir dort etwas erfahren, wollen die anderen
bestimmt ihre Eltern aufspüren. Und dann? Wollen wir Jeb zur
Rede stellen? Und wer ist der Direktor? Warum haben sie uns
das angetan? Warum erzählen sie mir dauernd, ich müsse die
Welt retten?«
Fang hielt die Hand hoch. Da wurde mir bewusst, dass ich die
Stimme erhoben hatte.
»Was wäre, wenn …«, sagte Fang langsam, ohne mich
anzuschauen. »Was wäre, wenn wir das alles vergessen
würden?«
Mir fiel der Unterkiefer runter. Da verbringt man mit
jemandem das gesamte Leben und glaubt, man kennt ihn, und
der lässt plötzlich eine solche Bombe los. »Was bist du …«, fing
ich an, aber da rannte der Gasman mit einer lebenden großen
Krabbe auf uns zu. Die ließ er mir in den Schoß fallen, und
Angel wollte Lunch. Ich hatte keine Chance, Fang bei den
Schultern zu packen und zu brüllen: »Wer bist du? Und was hast
du mit dem echten Fang gemacht?«
Vielleicht später.
A
m nächsten Morgen kam Fang aus der Stadt zurück und
warf mir mit kurzer Verneigung die New York Post vor die
Füße. Auf Seite sechs las ich: »Mysteriöse Vogelkinder nirgends
zu finden.«
»Gut für uns«, sagte ich. »Wir haben zwei Tage geschafft,
ohne große Aufregung an einem öffentlichen Ort zu erregen und
unsere Fotos landesweit zu verbreiten.«
»Wir gehen schwimmen«, erklärte Nudge und tippte Iggy
zweimal auf die Hand. Er stand auf und folgte ihr, Angel und
dem Gasman hinunter zum Wasser.
Die Sonne schien. Obwohl das Wasser noch ziemlich kalt war,
schien ihnen das nichts auszumachen. Ich war froh, dass sie
diesen Kurzurlaub hatten, wo sie einfach nur Spaß haben
konnten. Essen und schwimmen ohne Stress.
Ich stand natürlich weiterhin unter Stress.
Wieso hatten die Eraser uns noch nicht gefunden? Manchmal
spürten sie uns so leicht auf, und dann wieder – wie jetzt –
schienen wir uns
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