Patterson James
konnte ich kaum flüstern, als ich endlich nahe genug
war. Unfassbar! »Angel, wo warst du?«
»Wisst ihr was?«, sagte sie fröhlich. »Ich kann unter Wasser
atmen!«
I
ch nahm Angel in die Arme und drückte ihren kalten nassen
Körper an mich. »Angel«, sagte ich und bemühte mich, nicht
zu weinen. »Ich habe gedacht, du bist ertrunken! Was hast du
gemacht?«
Sie schmiegte sich an mich, und ich brachte sie an den Strand.
Wir brachen auf dem nassen Sand zusammen. Ich sah, dass der
Gasman auch Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten.
»Ich bin bloß geschwommen«, sagte Angel. »Und dann habe
ich zufällig Wasser geschluckt und musste husten. Aber ich
wollte nicht, dass Gasi mich findet. Wir haben doch Verstecken
gespielt«, erklärte sie. »Unter Wasser. Deshalb bin ich einfach
unten geblieben, und dann habe ich gemerkt, dass ich das
Wasser schlucken und unten bleiben konnte, ohne zu ersticken.«
»Was meinst du – Wasser schlucken?«, fragte ich.
»Ich habe es einfach geschluckt und dann so gemacht.« Angel
presste Luft aus der Nase. Beinahe hätte ich über das komische
Gesicht gelacht, das sie machte.
»Es kommt aus deiner Nase raus?«, fragte Fang.
»Nein«, antwortete Angel. »Ich weiß nicht, wo das Wasser
hingeht. Aber Luft kommt aus meiner Nase.«
Ich schaute Fang an. »Sie zieht den Sauerstoff aus dem
Wasser.«
»Kannst du uns das zeigen?«, fragte Fang.
Angel stand auf und lief zum Wasser. Sie ging bis zur Taille
hinein. Ich war dicht neben ihr, damit sie uns ja nicht wieder
verloren ging, nicht mal für eine Sekunde.
Sie kniete nieder, nahm den Mund voll Wasser und stand auf.
Sie schien das Wasser zu schlucken, dann blies sie Luft aus
der Nase. Meine Augen traten vor, dass ich Angst hatte, sie
würden herausfallen. Aus unsichtbaren Poren an Angels Hals
sickerte Meereswasser heraus.
»Wahnsinn«, stieß der Gasman hervor.
Nudge schilderte Iggy, was passierte. Er stieß einen
anerkennenden Pfiff aus.
»Und das kann ich machen und damit unten bleiben und
einfach weiterschwimmen«, sagte Angel. Sie schüttelte die
Schultern und entfaltete die Flügel, damit diese in der Sonne
trocknen konnten.
»Ich wette, das kann ich auch«, erklärte der Gasman. »Weil
wir Geschwister sind.«
Er hockte sich ins Wasser und nahm den Mund voll. Dann
schluckte er und versuchte Luft auszustoßen.
Er würgte und fing an, heftig zu husten. Meereswasser floss
aus seiner Nase. Wieder würgte er. Beinahe hätte er sich
übergeben.
»Alles okay?«, fragte ich, als er endlich wieder normal atmete.
Er nickte, sah aber immer noch aus, als sei ihm kotzübel.
»Iggy«, sagte ich. »Fühle doch mal Angels Hals. Vielleicht
kannst du diese Poren spüren, wo das Wasser rauskommt.«
Wie Federn glitten Iggys Fingerspitzen über ihre helle Haut
am ganzen Hals. »Ich kann überhaupt nichts fühlen«, sagte er.
Das überraschte mich.
Nur um sicher zu sein, probierten wir es alle. Aber nur Angel
konnte es. Ich erspare dir die ekligen Einzelheiten. Ich will nur
so viel sagen, es gibt da einen Uferstreifen, neben dem ich nicht
im Meer schwimmen möchte.
Also Angel konnte unter Wasser atmen. Unsere Fähigkeiten
zeigten sich immer deutlicher, fast als hätte man sie so
programmiert, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten ans Licht
kamen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätte ich beim
Damespiel eine Dame gemacht – plötzlich verfügte man über
mehr Kraft, mehr Macht als zuvor.
Echt abartig!
Überhaupt nicht abartig, Max!, meldete sich die Stimme. Göttlich. Brillant. Ihr sechs seid Kunstwerke. Genießt es.
Würde ich gern, wenn ich nicht ständig um mein Leben rennen
müsste, dachte ich stinksauer. Mein Gott! Kunstwerke oder
Missgeburten? Glas halb voll oder halb leer? Als würde ich
nicht gern meine Flügel abgeben, wenn ich als Gegenleistung
ein normales Leben mit normalen Eltern und normalen
Freunden leben könnte!
Die Stimme in meinem Kopf lachte. Aber, Max, sagte die
Stimme. Du und ich wissen, dass das nicht stimmt. Eine normale
Familie und ein normales Leben wären für dich doch
sterbenslangweilig.
»Wer hat dich gefragt?«, sagte ich wütend.
»Was gefragt?«, sagte Nudge überrascht.
»Ach, nichts«, meinte ich. Da hast du es! Manche Menschen
haben coole Fähigkeiten. Sie können Gedanken lesen und unter
Wasser schwimmen. Andere haben quälende Stimmen im Kopf.
Was war ich doch für ein Glückskind!
Was würdest du denn gern können, Max?, fragte die Stimme. Wenn du dir etwas aussuchen
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