Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
aber auch mir selbst versprochen, in Zukunft ein normaleres Leben zu führen. Nicht nur Karriere, nicht mehr einen Mordfall nach dem anderen. Und doch war mein letzter Gedanke, als ich vom Haus wegfuhr: Gary Soneji ist wieder unterwegs. Was wirst du dagegen unternehmen?
Aber zunächst einmal hatte ich ein phantastisches, friedliches und sehr aufregendes Abendessen mit Christine Johnson vor mir. Für den Rest des Abends würde ich keinen weiteren Gedanken an Gary Soneji verschwenden.
Ich würde schick sein, wenn nicht sogar wunderschön .
14.
Kinkead’s in Foggy Bottom ist eines der besten Restaurants, in denen ich je gegessen habe. Das Essen dort ist möglicherweise sogar besser als zu Hause, obwohl ich das Nana nie sagen dürfte. An diesem Abend zog ich sämtliche Register – ich versuchte es jedenfalls.
Christine und ich hatten uns gegen sieben an der Bar verabredet. Ich kam zwei Minuten vor sieben an, und sie traf gleich nach mir ein. Verwandte Seelen. Hilton Felton spielte im Erdgeschoß wie üblich unglaublich verführerischen Jazz auf dem Klavier, so, wie er es an sechs Abenden in der Woche tat. Am Wochenende begleitete ihn Ephraim Woolfolk am Baß. Bob Kinkead ging in der Küche ein und aus, garnierte und inspizierte jedes Gericht. Alles wirkte perfekt und hätte nicht besser sein können.
»Das ist wirklich ein phantastisches Lokal. Ich habe mir schon seit langem gewünscht, mal hier zu essen«, sagte Christine, während sie sich beeindruckt umsah und die edle geschwungene Treppe zum Restaurant hinauf musterte.
Ich hatte Christine noch nie so festlich gekleidet gesehen. Sie war sogar noch schöner, als ich bisher gedacht hatte. Sie trug ein langes, schwarzes Etuikleid, das hübsch geformte Schultern sehen ließ. Über die Arme hatte sie einen cremefarbenen Schal mit schwarzem Spitzenabschluß drapiert, und um ihren Hals wand sich ein mit einer altmodischen Brosche verziertes Samtband, das mir sehr gut gefiel. Sie hatte schwarze Schuhe mit flachen Absätzen an, war aber trotzdem über einsachtzig groß.
Ihre großen, samtbraunen Augen funkelten freudig, wie die der Kinder in ihrer Schule. Ein Funkeln, das den meisten Erwachsenen fehlte. Ihr Lächeln war unangestrengt, und sie schien sich rundherum wohl zu fühlen.
Ich hatte auf keinen Fall aussehen wollen wie ein Detective von der Mordkommission, deshalb hatte ich ein schwarzes Seidenhemd ausgewählt, ein Geburtstagsgeschenk von Jannie. Sie nannte es mein »cooles« Hemd. Ich trug außerdem schwarze Hosen, einen schwarzen Ledergürtel und schwarze Mokassins. Ich wußte ja bereits, daß ich »wunderschön« aussah.
Wir wurden zu einer gemütlichen kleinen Nische im Zwischenstock geführt. Normalerweise versuche ich, körperliches Imponiergehabe nur dort einzusetzen, wo es wirklich sein muß, doch es drehten sich mehrere Gäste nach uns um, als Christine und ich durch das Restaurant gingen. Ich hatte völlig vergessen, wie es war, mit einer Frau auszugehen und solchen Eindruck zu machen. Ich muß zugeben, daß ich das Gefühl genoß. Plötzlich erinnerte ich mich wieder daran, wie es ist, mit einer Frau zusammenzusein, die man wirklich mag. Und außerdem daran, wie es ist, sich »ganz« zu fühlen oder fast »ganz« oder zumindest auf dem Weg dahin zu sein.
Unsere Nische bot Aussicht auf die Pennsylvania Avenue und außerdem auf Hilton, der am Klavier saß. Perfekt.
»Wie war Ihr Tag?« fragte Christine, nachdem wir Platz genommen hatten.
»Ereignislos«, sagte ich und zuckte die Achseln. »Ein xbeliebiger Tag im Leben eines Detectives in D.C.«
Christine sah mich aufmerksam an.
»Ich habe im Radio etwas über eine Schießerei in der Union Station gehört. Hatten Sie nicht irgendwann im Verlauf Ihrer ruhmreichen Karriere bereits mit Gary Soneji zu tun?«
»Tut mir leid, ich bin jetzt außer Dienst«, sagte ich lächelnd. »Übrigens gefällt mir Ihr Kleid sehr gut.«
Mir gefiel außerdem die alte Brosche, die ihr Halsband zierte. Mir gefiel, daß sie flache Schuhe angezogen hatte für den Fall, daß ich es nötig hätte, deutlich größer zu sein, was aber nicht der Fall war.
»Einundvierzig Dollar«, sagte sie und lächelte schüchtern. An ihr sah das Kleid so aus, als hätte es eine Million gekostet. Jedenfalls dachte ich das.
Ich sah ihr in die Augen, weil ich wissen wollte, ob alles in Ordnung war. Seit dem Tod ihres Mannes waren über sechs Monate vergangen, aber für manche Dinge ist das keine lange Zeit. Doch Christine schien es
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