Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
Laptop an und machte mich an die Arbeit. Wie ich später Kyle Craig berichten sollte, hatte ich mich kaum gesetzt, als der Signalton des Computers ertönte, der mir anzeigte, daß eine Email auf mich wartete.
Mir war sofort klar, was das bedeutete: Smith meldete sich bei mir. Seit über einem Jahr nahm er regelmäßig Kontakt zu mir auf. Ich fragte mich manchmal, wer hier eigentlich wen verfolgte.
Die Nachricht war typisch für Smith, ich las sie sehr sorgfältig.
Paris – Mittwoch In seiner Schrift »Überwachen und Strafen« vertritt der Philosoph Foucault die These, daß sich der Mensch der Moderne von der individuellen Bestrafung weg auf ein Paradigma der allgemeinen Bestrafung zubewegt. Ich für meinen Fall halte das für einen unglückseligen Zufall. Erkennen Sie, wohin mich dieser Gedankengang führen könnte, wie meine ultimative Mission aussehen müßte?
Sie fehlen mir hier auf dem Kontinent, Sie fehlen mir sogar sehr. Alex Cross ist Ihre kostbare Zeit und Energie eigentlich nicht wert.
Ich habe Ihnen zu Ehren hier in Paris einen Mann in meine Gewalt gebracht – einen Arzt! Einen Chirurgen, genau das, was Sie früher einmal werden wollten.
Stets der Ihre Mr. Smith
88.
Auf diese Weise kommunizierte der Mörder seit über einem Jahr mit mir. Zu jeder Tages- oder Nachtzeit trafen die E-mails auf dem Laptop ein, die ich dann an das FBI weiterleitete. Mr. Smith war wirklich auf der Höhe der Zeit, ein Geschöpf der neunziger Jahre. Ich übermittelte die Nachricht sofort an die Einheit für Verhaltenswissenschaft in Quantico. Einige Kollegen waren noch bei der Arbeit, ich konnte mir ihre Verblüffung und Frustration lebhaft vorstellen. Meine Reise nach Frankreich wurde ohne Diskussion genehmigt.
Wenige Minuten nachdem die Nachricht in Quantico angekommen war, rief Kyle Craig in meinem Zimmer im Marriott an. Mr. Smith räumte mir mal wieder eine Chance ein, ihn zu fassen, im allgemeinen gab er mir dafür nur einen Tag, doch manchmal waren es sogar nur Stunden. Smith forderte mich heraus, den entführten Arzt in Paris zu retten.
Ich glaubte tatsächlich, daß Mr. Smith Soneji weit überlegen war. Sowohl sein Verstand als auch sein methodisches Vorgehen stellten Sonejis primitiveres Agieren weit in den Schatten.
Ich hatte meine Reisetasche und den Computer in den Händen, als ich John Sampson draußen auf dem Hotelparkplatz entdeckte. Es war kurz nach Mitternacht. Ich fragte mich, was er nachts in Princeton getrieben haben mochte.
»Was zum Teufel soll das, Pierce? Wo wollen Sie hin?« sagte er laut und verärgert. Er überragte mich deutlich, sein Schatten erstreckte sich in dem Licht, das aus dem Gebäude fiel, zehn bis zwölf Meter weit.
»Vor etwa einer halben Stunde hat Smith mit mir Kontakt aufgenommen. Das tut er immer kurz vor einem Mord. Er nennt mir einen Ort und fordert mich heraus, den Mord zu verhindern.«
Sampsons Nasenflügel blähten sich. Er schüttelte unwillig den Kopf, für ihn war nur ein einziger Fall wichtig.
»Also lassen Sie einfach alles stehen und liegen, woran wir hier arbeiten? Sie hatten nicht mal vor, mir Bescheid zu sagen, nicht wahr? Sie wollten mitten in der Nacht aus Princeton abhauen.«
Sein Blick war kalt und distanziert. Ich hatte sein Vertrauen wieder eingebüßt.
»John, ich habe natürlich eine Nachricht für Sie hinterlassen, in der ich Ihnen alles erkläre. Sie liegt am Empfang. Ich habe bereits mit Kyle über die Sache gesprochen, in ein paar Tagen bin ich bestimmt zurück. Smith läßt sich nie viel Zeit, denn er weiß, daß das zu gefährlich ist. Und ich brauche sowieso Abstand, um über diesen Fall erst mal nachzudenken.«
Sampson runzelte die Stirn und schüttelte wieder den Kopf. »Sie haben doch gesagt, es sei wichtig, einen Besuch im Gefängnis von Lorton zu machen. Sie haben gesagt, Lorton sei der einzige Ort, wo Soneji jemanden dazu gebracht haben könnte, seine Dreckarbeit zu erledigen. Sein Partner kommt vermutlich aus Lorton.«
»Ich habe auch weiterhin vor, dem Gefängnis einen Besuch abzustatten. Im Augenblick muß ich jedoch versuchen, einen Mord zu verhindern. Smith hat in Paris einen Arzt entführt. Und er widmet den Mord mir.«
Nichts von dem, was ich sagte, machte Eindruck auf John Sampson.
»Vertrauen Sie mir doch ein bißchen«, sagte ich, aber er drehte sich einfach um und ging weg.
Ich hatte keine Chance, ihm von der zweiten Sache zu erzählen, dem Sachverhalt, der mir die meisten Sorgen machte. Ich hatte auch Kyle Craig nicht
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