Patterson James
Mittwochmorgen in der Stadt eingetroffen waren, hatten mir Turniersponsoren die Schlüssel zu
einer Suite im Mariott Hotel und einem schneeweißen Lexus
überreicht. Ich hatte meinen eigenen, abgesperrten Platz auf
der Driving Range zugewiesen bekommen samt einem Eimer
Titleists, die blanker und makelloser waren als die, mit denen
ich üblicherweise spielte, ganz zu schweigen von denen, die ich
im Training benutzte, und nur für den Fall, dass jemand von
den zahlenden Zuschauern, die zur Driving Range heraufspaziert kamen, um sich den einen oder anderen Trick von den
Profis abzuschauen, meinen Schwung nicht gleich einordnen
konnten, stand im Gras direkt hinter mir ein großes, weißes
Schild, das in fetten Lettern meinen Namen enthielt.
Ach ja, und an meinem ersten Trainingstag stattete mich ein
Vertreter von Calloway mit einem kompletten Satz speziell auf
mich zugeschnittener Big Berthas aus, vom 60°-Wedge bis hin
zu einem riesigen Great-Big-Bertha-Driver mit Graphitschaft,
Titankopf und einem Sweetspot so groß wie eine Bratpfanne.
Und jedes Mal, wenn ich um eine Ecke bog, stieß ich auf einen anderes, braun gebranntes Gesicht aus dem Olymp der
Golfer. Der King höchstpersönlich, Arnold Palmer, schlug vier
Plätze weiter auf der Driving Range seine Bälle. Isao Aoki
richtete sich im Umkleideraum in der Kabine neben mir ein. Er
entpuppte sich als ein unglaublich weltmännisch-charmanter
Kettenraucher, so eine Art japanischer Dean Martin. Und eines
Morgens schlug ich auf dem Puttinggrün einen Putt, der geradewegs Lee Trevino von hinten zwischen die Füße rollte.
»Entschuldigen Sie vielmals«, stammelte ich, verlegen wie ein
kleiner Junge, »ich heiße Travis McKinley. Freut mich wirklich
sehr, Sie kennen zu lernen.«
»Travis McKinley«, entgegnete Trevino mit seinem überwältigenden, breiten Grinsen, »freut mich, Sie kennen zu lernen.
Ich habe heute Morgen in ›USA Today‹ einen Artikel über Sie
gelesen. Also, machen Sie sich bloß keine Gedanken über diesen Mist vom ›Wunder aus der Q-School‹. Es wird zwar kaum
einer zugeben, aber hier draußen ist jeder ein Wunder, jeder
Einzelne von uns. Und jetzt arbeiten Sie schön weiter an Ihrem
Putting, mein Junge. Ihrem letzten Schlag nach zu urteilen,
haben Sie das nötig.«
Ich stand einfach nur mit offenem Mund da. Lee Trevino,
genannt Mex, der immer ein Pflaster auf dem rechten Unterarm trägt, um eine alte Tätowierung zu verbergen, der 1971
sowohl die British Open als auch die US Open gewann und
dessen Caddie Herman berühmter ist als die Hälfte der Spieler
auf dieser Tour – und er hatte einen Artikel über mich gelesen !
Darüber hinaus war der Typ auch noch richtig cool. Und
großzügig. Und freundlich. Und obwohl er in seinen späten
Fünfzigern war, verströmte er mehr hoch konzentrierte, pure
Vitalität und Energie als je ein Mensch, dem ich bisher begegnet war.
Er hatte auch Recht mit seiner Anspielung auf die mühsam
verborgene Verbissenheit der meisten Spieler. Zum Auftakt
der Senior Tour war ständig die Rede von der einzigartigen,
kameradschaftlichen Atmosphäre unter den Kontrahenten und
wie erfrischend das Ganze doch war im Vergleich zur regulären Tour, oder »Junior Tour«, wie die Oldies sie zu nennen
pflegten.
Dann ging die Senior Tour richtig los. Von nun an stritten die
Spieler jedes Wochenende um eine Million Dollar. Und das
warme und herzliche Getue löste sich null Komma nichts in
Luft auf. Die Alten erlauben sich vielleicht ein bisschen mehr
Show als die Spieler der regulären Tour, machen ihre Mätzchen und pflegen einen lockereren Umgang mit dem Publikum
auf dem Kurs, aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen.
Diese Kerle wären jederzeit bereit, einem das Herz aus dem
Leib zu reißen und mit den Spikes ihrer Golfschuhe darauf
herumzutrampeln, wenn ihnen das ein weiteres Jahr auf der
Tour einbringen konnte.
Im Grunde erinnerte mich die Senior Tour an eine alte
Gameshow, die immer vormittags im Fernsehen lief: Da wurde
eine völlig überdrehte Hausfrau allein mit ihrer Gier und einem Einkaufswagen bewaffnet in einen Supermarkt geschickt,
und alles, was sie in sechzig Sekunden in ihren Wagen werfen
konnte, durfte sie behalten.
So lukrativ die Senior Tour auch ist, nebenher tickt ständig
die Uhr. Wenn man nicht gerade zu den Superstars zählt, dann
kann man schon froh sein, sich fünf oder sechs Jahre lang auf
der Tour zu halten, bevor irgendein rüstiger Fünfzigjähriger
von unten nachdrängt und einen
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