Patterson James
Rand. Als
Nächstes, um mir nur ja auf keinen Fall nasse Füße zu holen –
schließlich habe ich beschlossen, dieses Loch ganz konservativ
zu spielen –, einen etwas kräftigeren zweiten Schlag mit dem
Wedge, wodurch der Ball eineinhalb Meter vom hinteren
Grünrand wegrollt. Nach einem eher mittelmäßigen Chip liegen zwei Meter achtzig zwischen mir und dem Loch zum Par.
Ich verfehle den Putt und ziehe nun doch nicht mehr so ganz
ruhig mit einem Bogey von dannen.
Indem ich versucht hatte, vernünftig und intelligent zu spielen, hatte ich ein mögliches Eagle oder doch zumindest ein
ziemlich wahrscheinliches Zwei-Putt-Birdie verschenkt, daraus
ein verdammtes Bogey gemacht und mein Nervenkostüm ruiniert.
Sehen Sie, ich habe trainiert und trainiert und war wirklich ein besserer Golfer geworden. Und jetzt musste ich lernen, mich
an diese Tatsache zu gewöhnen, musste erst einmal lernen,
sozusagen mit meinem eigenen Können Schritt zu halten.
Ich meine, warum um alles in der Welt sollte man bei kaum
einem Windhauch nicht ein Grün anpeilen, das nur 185 Meter
weit weg liegt? – Es sei denn, man stellt plötzlich fest, dass man
vier unter Par liegt, rastet auf einmal aus und fängt an, sich
lauter irrelevante Fragen zu stellen.
»Man könnte fast meinen, dass es dir peinlich ist, gut zu sein,
Travis«, sagte Earl nach der Runde. »Als ob du dich dafür
schämst. Und deshalb wartest du nur darauf, dass dir die
Golfgötter auf die Schliche kommen und dich am Kragen pakken, sobald du einmal vier unter Par liegst. Travis, es ist kein
Verbrechen wider die Natur, wenn du etwas hervorragend
machst… schon gar nicht so etwas abgrundtief Belangloses wie
Golf spielen.«
Und außerdem, wenn ich mal einen Absatz lang philosophisch werden darf, geht es hier noch um ein viel grundlegenderes Prinzip, und das gilt für alles, was man anpackt, ob es
sich um die Berufswahl handelt oder darum, wie man ein
Omelett backt, und das lautet, dass nichts so konsequent gefährlich ist – ganz zu schweigen davon, dass es einem jegliches
Selbstvertrauen raubt und einen trübsinnig in sein Bier starren
lässt –, wie auf Sicherheit zu spielen.
Natürlich könnte ich mit dieser These auch falsch liegen.
KAPITEL 23
W
enn ich jetzt auf die Geschehnisse beim Bell South Classic
in Nashville, Tennessee, am ersten Wochenende im Juni zurückblicke, dann fällt mir auf, dass Earl einen versteckten
Hinweis nach dem anderen fallen ließ, wie das Ganze ausgehen würde. Aber damals war ich glücklicherweise zu sehr mit
mir selbst und dem Turnier beschäftigt, um seine Andeutungen zu verstehen.
Zunächst einmal war da Earls leichtes, aber unübersehbares
Hinken. Vielleicht hatte ich nie genau hingesehen, aber in den
sieben bisherigen Turnieren war mir nicht aufgefallen, dass
Earl hinkte.
Noch weitaus verwunderlicher war, dass Earl, der sonst nie
auch nur die geringste Anspannung auf dem Golfkurs zeigte
und der nach einem Jahrzehnt als Zielscheibe in Südostasien
die Vorstellung von nervlichem Druck im Sport als geradezu
beleidigend empfand, noch nervöser war als ich.
Ja, ich hatte gerade drei Birdies in Folge geschlagen, und, ja,
ich lag zum ersten Mal in einem Profiturnier im Tie mit einem
weiteren Spieler in Führung. Doch es war gerade mal Samstag.
So wie ich das sah, konnte ich zumindest noch bis Sonntag
warten, bevor ich anfing, vor lauter Nervosität nur noch Mist
zusammenzuspielen.
Und dann war da noch Earls ständiges Drängen, das angesichts der Umstände etwas unangebracht erschien. Selbst
nachdem ich die Löcher 15, 16 und 17 mit Birdie absolviert
hatte, schwang Earl noch die Peitsche wie ein Jockey auf der
Zielgeraden. »Wir brauchen noch ein Birdie, Travis«, sagte
Earl, als wir uns dem 18. Grün näherten. »Unbedingt!«
Nun schätze ich ein Birdie gewiss nicht minder als jeder andere Golfer, und ich verstehe auch, dass man bei einem guten
Lauf das absolute Maximum herausholen will, aber warum, so
fragte ich mich, war das ausgerechnet jetzt so wichtig?
Und zu guter Letzt kam dann noch Earls hintersinniges
Grinsen hinzu, als ich tatsächlich den letzten Drei-Meter-Putt
auf der 18 versenkte und damit allein in Führung ging, sowie
seine halblaute Bemerkung: »Pebble Beach, wir kommen.« In
Pebble Beach, dem spektakulärsten Golfkurs Amerikas, sollten
in einem Monat die US Senior Open ausgetragen werden, doch
die einzige Möglichkeit, eine Einladung zu dieser Party zu
bekommen, war ein Sieg bei einem der vorherigen Turniere,
und trotz
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