Patty Janes Frisörsalon
beinahe zehn Uhr abends, aber Avel und Harriet hatten es nicht erwarten können, Thor den Vorschlag zu unterbreiten, und waren direkt zu den Rolvaags gefahren.
»Stellt euch nur mal vor«, sagte Patty Jane, die schon im Bademantel war, »ich hab dann beim Frühstück meinen Mann am Tisch und auf dem Tisch.«
»Und du kannst ihn in den Schrank sperren, wenn er nicht brav ist.« Harriet lächelte, aber Patty Jane hörte den schneidenden Unterton in ihrer Stimme. Obwohl sie zu Harriet nichts von Thors Verhalten ihr gegenüber hatte verlauten lassen, schien sie unbewuÃt Signale ausgesendet zu haben, die Harriet empfangen hatte.
Der Fototermin fand in einem Atelier in der vierten Etage des Ames-Gebäudes statt. In einem Wald aus mehreren Scheinwerfern stand ein viereckiger Tisch mit einer rotweià karierten Decke. Auf ein Poster dahinter war ein Fenster mit freundlichen Vorhängen gemalt, durch dessen Scheibe man mehrere Rotkehlchen vor einem sommerlich blauen Himmel fliegen sah.
Avel und ein Grüppchen von Abteilungsleitern standen etwas abseits, während eine junge Frau Thors Gesicht nachschminkte.
»Er ist der perfekte Mighty-Bites-Mann«, sagte der Leiter der Werbeabteilung. »Wenn er nur ein biÃchen lockerer wäre.«
»Der Kerl ist so steif wie eine Leiche«, sagte der Leiter der Produktentwicklungsabteilung.
»Ja«, pflichtete der Leiter der Marketingabteilung ihnen bei, »er sieht gequält aus.«
Der Fotograf stellte sich wieder hinter seine Kamera und sagte: »Versuchen wirâs noch mal«, worauf die Visagistin Thor erneut mit der Puderquaste über die Nase fuhr und dann aus dem Bild ging.
Thor grub seinen Löffel in eine Schale mit trockenen Mighty Bites (die Milch würde hinterher aufgemalt werden, hatte er erfahren) und lächelte strahlend.
»Versuchen Sie, nicht so verkrampft auszusehen«, sagte der Fotograf.
»Verkrampft?« flüsterte der Leiter der Werbeabteilung. »Er schaut aus, als hätte er Verstopfung.«
»Als hätte er seit Jahren keinen Pups mehr gelassen«, meinte der Mann von der Produktentwicklung.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte Avel. Er ging zum Fotografen. »Kann ich mal kurz mit ihm sprechen?«
»Bitte«, antwortete der Fotograf. Er wandte sich der Visagistin zu. »Fünf Minuten Pause, Betty.«
Die Hände in den Hosentaschen, stieg Avel über diverse Kabel hinweg und trat an den Tisch.
»Ich bin sauschlecht, was?« fragte Thor.
Avel zuckte die Achseln.
Thor wischte sich den Schweià von der Oberlippe. »Mensch, Avel, es ist so heià hier drinnen, und ich komm mir so blöd vor, wenn ich dauernd gesagt kriege, ich soll ein Mighty-Bites-Lächeln zeigen. Was zum Teufel ist ein Mighty-Bites-Lächeln denn überhaupt?«
Avel lächelte; es war kein Mighty-Bites-Lächeln, aber es war aufrichtig. Er verstand Thors MiÃbehagen nicht recht; Avel lächelte mit Freuden, ob er darum gebeten wurde oder nicht. Er zog die Beine seiner Nadelstreifenhose ein paar Zentimeter in die Höhe und kniete sich nieder.
»Thor, ich glaube, es wäre besser, wenn du aus der Situation rausgehst.«
»Ich hab ja gleich gewuÃt, daà es nicht klappt«, sagte Thor und stand auf. »Tut mir leid, Avel.«
Avel wedelte abwehrend mit den Händen. »Setz dich wieder, Thor. Ich meine nicht, daà du körperlich rausgehen sollst; ich meine, du sollst dich einfach geistig entfernen.«
»Sag das noch mal.«
»Denk an Tahiti oder die Karibik â an irgendeine paradiesische Gegend. Stell dir vor, du wärst dort, und wenn du in die Kamera schaust, siehst du eine bildschöne Frau. Gebrauch deine Phantasie, Thor.«
Der Fotograf und die Visagistin kehrten mit Kaffeetassen in den Händen zurück. Avel schlug Thor auf die Schulter. »Geh aus dir raus.«
Avel kehrte zu dem Grüppchen besorgter Abteilungsleiter zurück. Er schob die Unterlippe vor und nickte.
Nachdem man ihm Stirn und Nase erneut gepudert hatte und der Fotograf wieder hinter die Kamera getreten war, versuchte Thor, sich irgendeine idyllische Gegend vorzustellen, aber die Hälfte des Films war verschossen, ehe er auch nur aus Minneapolis herausgekommen war. Erst ein tiefer Seufzer des Fotografen verlieh seiner Phantasie Flügel. Er hörte das Säuseln einer Meeresbrise anstelle der Ungeduld des Mannes, die heiÃen Scheinwerfer wurden zur
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