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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Ausnahmetalent lebte: Willi auf seinem nagelneuen Fendt 820 Vario Großtraktor, 6 Zylinder, Turbolader, 207 PS, die Stereoanlage auf volle Dröhnung, heute HR 4, als Kompliment ans Fernsehteam. Marianne hinter der Schubkarre mit den riesigen runden Natursauerteigbrotlaiben auf dem Weg zum Backhaus, vor dem Gottfried dekorativ Brennholz zerkleinerte. Und Erwin, auf seinem Rasentraktor thronend, während er den golffähigen Rasen seines Grundstücks kurz hielt. In einer solchen Umgebung konnten nur Begabungen heranwachsen.
     
    Guten Morgen
    Magst du steirisch
    Mehr als französisch
    Weißt du worauf du dich einläßt
    ?
     
    »Und? Was sagen Sie zum Erfolg des kleinen Sebastian?« Bremer starrte auf ein von einer großen gelben Schaumstoffkugel umhülltes Mikrofon. An der Kamera schaltete sich ein rotes Licht ein. Das geschah ihm recht. Es gab keine Unbeteiligten in diesem Spiel. Nur nicht stottern.
    »Ich finde es großartig. Wir alle sind stolz auf Basti und wünschen ihm ein rauschendes Finale! Ich halte ihm nicht nur die Daumen, ich werde auch meine Stimme für ihn abgeben!« Gottfried hatte die entsprechende Nummer schon vor Tagen verteilt, unter der man »voten« konnte. Bremer jedenfalls würde voten, bis die Wahlwiederholungstaste glühte.
    »Und wird Sebastian es ganz nach vorne schaffen, was meinen Sie?« Die junge Frau mit der spitzen Nase und dem dunklen Bubikopf sah nicht unbedingt wie ein Fan steirischer Volksmusik aus. Machte sie sich etwa heimlich lustig? Bremer merkte verblüfft, wie ihn allein der Gedanke wütend machte. Klein-Roda war zwar nicht der Nabel der Welt, aber für Spott hatte er kein Verständnis.
    »Platz eins, zwei oder drei«, sagte er kühn und strahlte nun erst recht in die Kamera. »Aber ehrlich gesagt: Ich tippe auf den ersten Platz.«
    Sie nickte. Sie lächelte, während einer ihrer Begleiter um sie herumturnte und fotografierte. Der Mann trug seine Baskenmütze wie Che Guevara. Auch noch mit einem roten Sternchen vorne an der Krempe. Albern.
    Sie lächelte auch bei der nächsten Frage: »Und ist das nicht traurig? Das eine Kind wird gefeiert und das andere ist noch immer verschwunden. Was sagt man im Dorf über den kleinen Luca?«
    Bremer hielt die Luft an und versuchte seine Gesichtszüge zu kontrollieren. »Wir haben die Suche nach Luca nicht aufgegeben«, antwortete er steif.
    »Vielleicht hätte man auf die Teilnahme Sebastians an der Veranstaltung verzichten sollen, meinen Sie nicht?«
    Sie lächelte noch immer, die Schlange.
    »Ganz im Gegenteil«, sagte Bremer und spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. »Basti hat ein Recht auf seinen Erfolg. Wir müssen zeigen, daß für die Kinder ein Leben ohne Angst möglich ist. Wir …«
    »Danke!« Das Licht an der Kamera verlosch. Die Journalistin lächelte noch immer, als sie sich verabschiedete, um nach neuen Opfern zu suchen.
    Aber ihre Bemerkung hatte gesessen. Es gab eine helle Welt, in der kleine Jungen umjubelte Superstars werden konnten. Und es gab eine dunkle Welt, in der sie spurlos verschwanden. Vielleicht hätte man Luca rechtzeitig ein Akkordeon in die Hand drücken sollen?
    Hoffentlich lebte der Bengel noch. Hoffentlich hatte er es warm und genug zu essen. Hoffentlich war er bald zurück.
    Stunden später kam der Bus. Marie hatte sich eine Trachtenbluse angezogen, und Gottfried trug bunte Hosenträger. Basti in seinen Lederhosen mit den Hirschhornknöpfen, die seine Berufskleidung geworden waren, wirkte kein bißchen aufgeregt. Auf der alten Fernsehantenne oben auf dem Dach saßen fünf von seinen prächtigen weißen Tauben und gurrten. Frieden.
    Bremer hätte noch lange dem Bus hinterhergewinkt, wenn Karen nicht angerufen hätte.
    »Lebst du noch?«
    Er hörte sie seufzen. »Mehr oder weniger. Und du?«
    »Zu gut.« Er erzählte ihr von den unzähligen Dinnerpartys und den vielen Cocktails während der Reise mit Anne. »Fünf Kilo zuviel.«
    »Ich hab zehn Kilo weniger.«
    »Wie hast du das gemacht?« Frau Oberstaatsanwältin Karen Stark kämpfte, seit er sie kannte, mit einem Übergewicht, das er ihr beim besten Willen nicht bescheinigen konnte. Aber Frauen sind wohl so.
    »Zuviel Arbeit. Vertretung unserer Pressesprecherin. Und ansonsten – ach, du weißt doch. Ich kann die Methode nicht weiterempfehlen.«
    Also das Übliche. Liebeskummer. Gunter. Der attraktivste Gerichtsmediziner Frankfurts, behauptete Karen. Da die andere Rechtsmedizinerin eine Frau war, hieß das nicht viel.
    »Ich habe ein viel

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