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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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wußte in diesem Moment, wie er am schnellsten und unkompliziertesten an die Akte Raabe herankam.
    »Ich hab da übrigens noch was, Klara. Einen uralten Fall, in dem ähnlich lehrreich ermittelt wurde. Die Akte würde ich gerne in die kriminalpolizeiliche Sammlung übernehmen. Wenn nichts dagegen spricht?«
    »Prima. Ich schätze Eigeninitiative.«
    »Und vielleicht kann man unsere neuen Methoden auch an diesem Fall demonstrieren?«
    Klara runzelte die Stirn. Er wußte, was sie dachte. Retrograde DNA-Untersuchungen waren teuer. Und wo lag das Aufklärungsinteresse?
    »Mal sehn. Laß die Akte erst mal kommen.«
    Und wahrscheinlich hatten die Kollegen damals weder Spurenträger gesammelt noch vernünftig asserviert. Dann erübrigte sich eine DNA-Untersuchung von ganz allein. So war das meistens mit guten Ideen.
    »Halt mich auf dem laufenden, Giorgio! Ciao!« Klara stand auf und ging.
    DeLange telefonierte, bis sich sein Ohr wie eine große rote Wärmflasche anfühlte. Das Netzwerk, an dem er Jahre geknüpft hatte, funktionierte heute nicht auf Anhieb, die Leute machten Urlaub, feierten krank oder waren gerade Eltern geworden. Schließlich rief er Ute an, alte Bekannte aus K-11-Zeiten, Pressesprecherin bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Sie nahm sofort ab, mit einem kurzen, präzisen, aussagekräftigen: »Ja?«
    »Ute? Hier ist Jo.«
    »Und hier ist Karen Stark. Bestehen Sie auf Ute, oder kann auch ich Ihnen weiterhelfen?«
    Entschuldigung. Mein Fehler. Wußte nicht, daß die Pressesprecherin nicht mehr Ute heißt. Und nun mach deinen Aufsager, DeLange.
    Die Stimme am Telefon unterbrach ihn nicht. »Wir können eine Akte nur freigeben, wenn der Fall eingestellt worden ist.« Kühl, sachlich, kooperativ. »Darüber hat die Staatsanwaltschaft vor Ort zu befinden.«
    Ist bekannt. Wir dachten an den kleinen Dienstweg.
    »Wie lange ist das her? 40 Jahre? Da seh ich kein Problem, Herr Lange.«
    DeLange. Aber man verzichtet schon mal auf ein Stückchen Identität, wenn man es mit einer hilfsbereiten Oberstaatsanwältin zu tun hat. Außerdem war ihre Stimme angenehm tief.
    »Wer ist zuständig? Fulda. Ach, da kenne ich jemanden. Alte Studienfreundin. Sie hören von mir.«
    Das sagen sie alle. DeLange legte die Füße auf den Tisch. Er rechnete mit nichts. Vor allem nicht damit, daß sie schon eine halbe Stunde später wieder anrief.
    »Tut mir leid, hat länger gedauert, wir sind ins Reden gekommen, Sie wissen ja, wie Weiber sind.«
    DeLange versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, daß er grinste.
    »Die Verfügung geht heute raus.« Sie klang ganz anders jetzt. Weicher. Was so ein gutes Weibergespräch doch ausmacht.
    »Ich bin Ihnen etwas schuldig, Frau Stark.« Man kann’s ja ruhig mal mit Charme versuchen. Tatsächlich – sie lachte.
    »Das merk ich mir, Herr DeLange. Ich komme darauf zurück.«
    Diesmal stimmte der Name. Sie hatte sich kundig gemacht. Aus irgendeinem Grund fühlte DeLange sich geschmeichelt.
    Er lehnte sich in den Schreibtischsessel und lächelte in sich hinein. Na, wer sagt’s denn. Eine staatsanwaltliche Verfügung, ein nicht mehr ganz so müder Kollege in Fulda, und schon ist die Akte da. Also in circa fünf Wochen. Und nun erklär mir, Alter, warum du dich für eine seit vierzig Jahren verschollene Schönheit interessierst. So schön wie damals wird sie heute nicht mehr sein, ob tot oder lebendig. Also?
    Aus Neugier. Aus Gerechtigkeitsgefühl.
    Bullshit.
    Weil ich Hannah das Buch zurückgeben muß.
    Quatsch.
    Wegen Sophie Winters Rehaugen.
    Schon eher.
    Weil ich nicht an Feli denken will, nicht an Caro, nicht an Angelika Schau.
    Aha! Nur tote Frauen sind gute Frauen?
    Na gut. Vielleicht tu ich’s für Ernst Zobel.

14
    Gottfried rutschte tiefer in den Autositz und betrachtete das Wolkenband am Horizont. Es würde noch einmal schneien in diesem Frühjahr. Gegen Ende des Monats, schätzungsweise. Nur Idioten schlossen aus dem warmen Wetter der letzten Tage, daß das ewig so weitergehen würde. Wetter war tückisch.
    Durch das halbgeöffnete Fenster auf der Fahrerseite hörte er eine Mutter nach ihrem Kind rufen. Ihr macht euch alle viel zu verrückt mit euren Blagen, dachte er. Haben wir früher auch nicht gemacht. Und hat es vielleicht was geschadet?
    Das Wolkenband franste aus und verschob sich nach rechts. Südwestwind. Unklare Wetterlage. Aber für den baldigen Umschwung sprach, daß der Mittelfinger schmerzte – der an der linken Hand, der nicht mehr da war.
    Ein türkisch aussehendes

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