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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Bier.
    »Was dann passierte, war … was soll ich sagen … nicht gerade ein Ruhmesblatt. Heute versteht man das nicht mehr. Aber damals …« Kosinski streckte die Beine von sich und schien seine Schuhspitzen zu mustern. Dann blickte er auf und seufzte. »Wir haben uns alle ziemlich danebenbenommen.«
    Bremer dachte an die Bilder, die er bei Ulla Abel gesehen hatte. »Ist doch klar, daß niemand sie mochte, die Hippies«, sagte er. So war man damals, nicht nur auf dem Land: stur und dickköpfig. Manche waren das noch heute.
    Kosinski lachte auf. »Du untertreibst. Wir haben sie gehaßt. Zwei Mädchen und ein Kerl. Ein Langhaariger. Zwei Flittchen. Und wie die herumliefen. Eine anständige Arbeit hatten sie auch nicht.« Kosinski kratzte sich am Kopf und sah Bremer an, als ob er sich bei ihm entschuldigen müsse.
    »Sie wurden geschnitten.« Keine Kritik, nur eine Feststellung.
    »Geschnitten? Wenn es nur das gewesen wäre. Sie wurden gemobbt. Und die Polizei …«
    »Dein Freund und Helfer«, sagte Bremer und grinste den Alten spöttisch an.
    »Wir haben mitgemacht.«
    Der Spott verging ihm. »Du auch?«
    »Ja.«
    Das verschlug Bremer die Sprache. Kosinski lehnte sich in den Sessel und blickte einer Krähe hinterher. Am Nebentisch hörte man Lachen. Bremer leerte sein Glas in einem Zug. Fanny blickte fragend zu ihm herüber. Er schüttelte den Kopf.
    Nach einer Weile räusperte sich der Alte. »Versteh mich nicht falsch, Paul. Wir haben das meiste gar nicht mitgekriegt. Damals ging man nicht zu den ›Bullen‹, wenn man zur Gegenkultur gehörte.«
    Der blaue Lanz mit dem roten Verdeck nagelte vorbei, diesmal ohne die Kinder.
    »Es fing noch einigermaßen harmlos an. Einige der Dorfburschen leerten Gülle bei den Hippies aus. Auf der Kirmes gab es Rempeleien. Das Übliche halt. Aber dann zündete einer der jungen Idioten den VW-Bus der drei an.«
    »Das Übliche halt?« Bremer merkte, wie seine Stimme sich empört hochschraubte.
    Kosinski hob die Hand. »Wart’s ab. Es kommt noch schlimmer. Wir haben das bei der Polizei zum Anlaß genommen, bei den angeblichen Studenten eine Drogenrazzia zu veranstalten. Sie hätten das im Drogenrausch ja selbst gemacht haben können, verstehst du?«
    Bremer verstand. Zu gut.
    »Du kannst dir vorstellen, wie es hinterher bei denen aussah.«
    Danke. Er hatte Phantasie. Leider reichte seine Vorstellungskraft auch aus, um sich den Gregor Kosinski von damals vorzustellen – jünger. Dümmer. Brutaler.
    Und jetzt wußte er, an welchen Film er beim Besuch bei Ulla Abel gedacht hatte. An Easy Rider und die schweigsamen Männer mit ihren Schießprügeln auf den blitzblank gewienerten Pick-ups. Gregor einer von ihnen? Die Vorstellung tat weh.
    »Und dann eskalierte der Konflikt.« Kosinski atmete tief durch. »Ein Mädchen aus der Nachbarschaft hatte sich mit den dreien befreundet.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Die haben ihr wahrscheinlich das Ohr abgeschwätzt – über die repressive Gesellschaft und die Emanzipation und die freie Liebe und diesen ganzen Stuß.«
    Daß man sich von alten Zwängen befreien müsse, sich öffnen dem Neuen. Ach, das hatten sie alle erzählt, auch Jahre später noch, wenn sie ein Mädchen ins Bett kriegen wollten. Das war zwar schlechter Stil, aber kein Verbrechen.
    »Das mochten deine verklemmten Nachbarn wohl nicht?«
    »Na ja.« Kosinski schob den Bierfilz über den feuchten Fleck auf dem Bistrotischchen. »Das Problem war – Erika war etwas Besonderes. Sie war sehr schön – und sie war nicht sehr stabil.«
    »Stabil?« Was sollte denn das heißen.
    »Mental, meine ich.« Kosinski beugte sich vor. »Paul, versteh mich, ich rechtfertige nichts von dem, was damals geschah – aber das mit Erika war nicht so einfach. Die Kleine kannte keine Grenzen. Sie machte alles mit. Auch Rauschgift und Sex, war zu befürchten.«
    »Und jeder ging davon aus, daß die drei Außerirdischen skrupellos genug waren, um sie auszunutzen, ihre – wie sagst du? – mentale Instabilität? Was für ein reizendes Menschenbild!«
    »Ach, Paul. Du kennst doch den Mechanismus. Erika war für alle eine – Herausforderung.« Kosinskis Stimme wurde leise. »Die meisten Männer haben auf die Hippies projiziert, was sie selbst gern getan hätten.«
    »Und das rechtfertigt Jagd auf Fremde?«
    Kosinski hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich rechtfertige nichts, ich versuche nur zu erklären, warum der Freund von Erikas Schwester glaubte, etwas unternehmen

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