Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille
mittlerweile nervte es ihn. »Ich habe schon wieder einen Anruf aus dem Ministerinnenbüro gekriegt.«
Die Pressekonferenz. Natürlich. Die Ministerin legte den allergrößten Wert darauf. Immer wenn es eine Erfolgsmeldung gab – ein gutes Ermittlungsergebnis oder eine neue Fahndungsmethode –, mußte das in Frankfurt abgefeiert werden. Warum keine PK in Wiesbaden? Da ist schließlich der Sitz der Landesregierung? So was hatte er ganz zu Anfang mal zu fragen gewagt. Karla hatte sich kaputtgelacht ob seiner Naivität. »Damit nur der Wiesbadener Kurier darüber berichtet? Nein, Jo. In Frankfurt sitzt die Medienmacht. So funktioniert das Geschäft. Also ran an die Arbeit.«
DeLange nahm einen Schluck Kaffee. »Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was wir in Sachen Fast ID Neues zu melden haben. Die Sache funktioniert, der Gauner drückt seine sauberen Finger auf unseren handlichen digitalen Fingerabdruckscanner, der beamt die Info ans INPOL, und presto – schon wissen wir, ob der Kunde Dreck am Stecken hat.«
»Jo, stell dich nicht so dämlich an. Die Botschaft lautet: Wir haben unsere Spitzenposition im digitalen Erkennungsdienst ausgebaut, wir hier in Hessen.«
Jaja. Hessen vorn.
»Das kommt dem Bürger unmittelbar zugute, auch wenn es Steuergelder kostet. Okay?«
»›Die Minimierung des Grundrechtseingriffs für den Betroffenen‹.« DeLange war die delikate Wortwahl aus dem Ministerium in Fleisch und Blut übergegangen.
»Und das übersetzen wir jetzt hübsch ins Deutsche.«
»Niemand muß mehr warten oder gar in Gewahrsam genommen werden, während seine Daten überprüft werden. Das mindert öffentliches Aufsehen und damit die Peinlichkeit.«
Karla legte die Hand auf seinen Bizeps und drückte fest zu. »Guter Junge. Pressekonferenz am Freitag. Dein alter Freund hat sich angesagt. Dr. Doom. Du machst die Honneurs. An die Arbeit.« Und verschwand in ihrem Zimmer.
Wieder hatte er zwei Becher in den Händen, diesmal leere. DeLange stand im Flur wie die Kuh beim Donnern und spürte Wut in sich hochsteigen.
Ich will nicht. Und ich werde nicht. Diese Scheißpressekonferenz leiten. Karla.
Schon gar nicht, wenn dieses Arschloch mitmischt, unser selbsternannter Sicherheitsexperte, Doom wie Weltuntergang, mit dem jede Pressekonferenz eine endlose Tortur wird.
Ich brauch das nicht, Karla. Der Mann ist zwar der Parteivorsitzende der Ministerin, und sie kann ihn nicht ausstehen, was für sie spricht, aber ansonsten schlichter Landtagsabgeordneter, und ich sehe überhaupt nicht ein …
Karla steckte den Kopf aus ihrem Zimmer und war so freundlich, ihm einen der beiden Becher abzunehmen. Es war sogar ihr eigener.
»Ich bereite die Show zu Rosis Jubiläum vor, Karla. Und ich habe da noch den anderen Fall, den ich zusätzlich präsentieren muß. Außerdem brauchen die Leute vom Hessischen Fernsehen einen Nachdreh. Ich kann mich nicht auch noch …«
»Klar kannst du, Jo. Ich kenne dich doch.« Und mit einem geradezu gemeinen Augenzwinkern zog sie sich wieder zurück.
DeLange hätte ihr am liebsten seinen Kaffeebecher hinterhergeworfen. Aber immerhin hatte er jetzt eine Hand frei. Als das Mobiltelefon wieder vibrierte, zog er es aus der Hosentasche, klappte es auf und bellte hinein.
»Ja?«
Er hörte es atmen. Dann ein zaghaftes Hallo. Eine Männerstimme. DeLange schaute ungläubig aufs Display. Felis Nummer. So ein Dreckskerl. Jetzt rief er auch noch an, ihr Lover. Mit ihrem Handy.
»Was wollen Sie?«
»Sind Sie ein Bekannter von Felicitas DeLange?«
Was war denn das für eine blöde Frage? »Nein! Ich bin nicht ihr Bekannter! Ich bin ihr Mann!« Wußte der Kerl das vielleicht nicht?
Schweigen. Aber der Mann atmete hörbar schneller. Angst, dachte DeLange schadenfroh. Und das zu Recht.
»Ruhig, Herr DeLange, ganz ruhig. Ich frage ja nur, weil …«
»Wieso rufen Sie überhaupt von Felis Handy aus an?« Er hielt das Telefon viel zu fest in der Hand. Locker, Mann.
»Ihre Nummer ist die letzte, die von Frau DeLanges Mobiltelefon aus angerufen wurde, abgespeichert unter ›Jo‹, ich wußte also nicht …«
»Hat sie wieder ihr Handy irgendwo liegengelassen?« Wenn das so war … DeLange versuchte es mit einem zivileren Tonfall.
»Nein.«
»Ja, was dann?«
»Also … Felicitas DeLange ist Ihre Frau?«
»Ja. Wer sind Sie?« Ruhig jetzt.
»Markus-Krankenhaus. Ihre Frau ist vor ein paar Stunden bei uns eingeliefert worden.«
Ganz ruhig. »Was ist mit meiner Frau?« Nicht das Handy zerquetschen. DeLange
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