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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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doch sonst soviel Wert auf Manieren!« Caro, anklagend. »Alles eine Frage der Hygiene, Papa.« Flo, spöttisch.
    Er nahm die Akte auf den Schoß. Nein, die Untersuchung war nicht vorurteilsfrei gewesen. Zobel hatte recht. Besonders auffällig bei der Vernehmung der beiden Männer, die von den Hausbewohnern beschuldigt worden waren, sie überfallen zu haben.
    »Auf Vorladung erscheint der Sägewerksarbeiter Ernst Berg, geb. am 2. August 1942, wohnhaft in Groß-Roda, Im Heck 2, und erklärt, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt, folgendes:
    ›Ich wurde belehrt, daß ich vor der Polizei keine Angaben zu machen brauche.‹«
    Und so weiter und so fort.
    »Mit Karl-Heinz Neumann, Alexandra Raabe und Angela Simon hatte ich keinerlei persönlichen Kontakt, d. h. ich habe mich nie mit ihnen unterhalten. Über den Verkehr der genannten Personen kann ich keine konkreten Angaben machen. Die gegen mich ergangenen Beschuldigungen weise ich zurück.«
    Ähnlich ergiebig waren die Aussagen des Schreinermeisters Gottfried Funke, geb. am 11. November 1938, wohnhaft in Klein-Roda, Friedhofsweg 4.
    Obwohl beide Männer keine jungen Burschen mehr waren, machte die Vernehmung deutlich, daß man die ganze Auseinandersetzung nicht weiter ernst nahm. Während die Tatortbeschreibung übergenau war, ging man bei der Aufnahme der Personenschäden ausgesprochen schlampig vor. Das Ganze roch, es stank nach voreingenommener Ermittlung.
    DeLange stand auf und stellte sich ans Fenster. Scheißgefühl, wenn die eigenen Leute Mist bauen. Bloß weil die einen Hippies sind, die man eh nicht mag, und die anderen brave Landjungs, die Konflikte auf ihre Weise regeln. Wogegen der tolerante Provinzbulle natürlich nichts machen kann.
    Der Fall Raabe ähnelte der Geschichte, die Sophie Winters Roman erzählte – mehr, als ihm lieb war. Sie hatte offenbar gar nicht so sehr übertrieben. Aber woher kannte sie die Details? Sogar ihre Beschreibung der Kirmesbesucher traf die eine oder andere Gestalt, die ihm da aus der Akte entgegenblickte.
    Aus dem Illustriertenartikel stammte das nicht. Die Akte konnte sie nicht gelesen haben. Und in einem wichtigen Punkt unterschieden sich Akte und Roman: In Summer of Love wurden die drei von den Dörflern wie Wild durch den Wald gehetzt. Das eine der Mädchen, Sascha, wurde dabei getötet. Dem Roman zufolge wäre Alexandra Raabe demnach nicht nur verschwunden, sondern auch tot.
    Deutlicher gesagt: sie wäre ermordet worden.
    DeLange fühlte, wie sich die Härchen an seinen Unterarmen aufstellten. Er witterte eine Fährte.
    Er starrte noch immer aus dem Fenster, als das Telefon klingelte. Das Markus-Krankenhaus. Man hatte Feli auf die Intensivstation verlegt. DeLanges Magen machte einen Sprung nach oben. Ob er sie sehen könne? Nein. Sein Magen sank ins Bodenlose.
    Er blieb vor dem Fenster stehen und sah einer Bande Meisen zu, die in der Kastanie im Garten gegenüber tobten – bis es draußen dämmerte, die Tiere schlafen gingen und ihm kalt war. Irgendwann schloß er das Fenster und schaltete das Radio ein. Schob die CD hinein. Klickte sich vor bis zu Leonores Arie.
     
    Infelice, delusa, rejetta,
    Dalla terra e del ciel maledetta,
    Unglücklich betrogen verstoßen
    Che nel pianto protratavi al piede,
    Di sottrala all’inferno vi chiede.
    verflucht Errettung Hölle Tränen.
     
    Fast hätte er nicht bemerkt, daß die Mädchen an der Wohnungstür waren. Hastig schaltete er das Radio aus.

5
    Es würde schneien. Noch nicht in dieser Nacht. Aber bald. Gregor Kosinski hatte das in der Nase.
    Beate hatte ihm natürlich widersprochen. Das tat sie aus Prinzip. Und sie hatte ihn gönnerhaft auf die Stirn geküßt, nachdem sie aufgestanden war vom Frühstückstisch. Das Aufräumen überließ sie neuerdings ihm. Er hatte ja auch nichts Besseres zu tun, im Gegensatz zu ihr, die dreimal in der Woche die Gemeindebibliothek betreute, was sie »Arbeit« nannte. Was er tat, war »Hobby«.
    An diesem Abend traf sie sich mit dem Gesangsverein bei Felix. Das konnte spät werden. Er hatte nichts dagegen.
    Es würde schneien. Nicht heute, nicht morgen, aber bald. Es schneite oft noch um diese Zeit. Petra war am 9. April geboren, mitten in einem Schneesturm. Das wußte er besser als Beate; die erinnerte sich nur daran, daß er vergessen hatte, Blumen mitzubringen. Und das würde sie nie vergessen.
    Kosinski sah aus dem Fenster in die Finsternis, während er zum Abendbrot Wurst aufschnitt, Tomaten und

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