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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Vorgartens gezerrt.
    Gewalt macht seltsame Dinge. Ihr Körper reagierte instinktiv – sie empfand keinen Schmerz, obwohl er sie geschlagen hatte, mit dem Handrücken ins Gesicht, aber ihr Puls raste. Alles auf Flucht. Da ist ein Messer, sagte er und hielt etwas Kühles an ihren Hals. Keinen Laut. Und keine Bewegung. Sonst.
    Seltsam, was man denkt in einem solchen Moment. Sie dachte an Vietnam und an all das, was ein Soldat können muß, um sein Handwerk zu betreiben, und hatte dennoch keine Angst. Als er sie küssen wollte, wußte sie, daß er kein geübter Vergewaltiger war. Vielleicht einfach nur ein einsamer Kerl?
    Aber sie sagte nicht auch noch auf Wiedersehen, als sie aufstand. Das nicht, dachte Sophie und hätte fast gelächelt.
    Sie hatte Stimmen gehört auf der Straße, er würde nichts riskieren wollen, es war ungefährlich, einfach aufzustehen und zu gehen. Als sie endlich auf dem Bürgersteig stand, trafen sie amüsierte Blicke, die beiden Männer, allem Anschein nach ebenfalls Amerikaner, konnten sich offenbar nur einen Grund vorstellen, warum sie, aus einem Gebüsch kommend, die Jeans hochziehen mußte. Die nicht auch noch, dachte sie und stellte sich an die Straße, um ein Auto anzuhalten. Denn jetzt spürte sie den Schmerz. Sie war bei dem Überfall umgeknickt, hatte sich den Knöchel verstaucht, und der begann anzuschwellen.
    Das hat man von hohen Absätzen, dachte Sophie und verfluchte die Risikofreude, mit der sie auch heute wieder in den Schuhschrank gegriffen hatte.
    Damals hielt lange niemand an. Der kleine Deuxchevaux, der es schließlich tat, war eigentlich schon voll, sie paßte nur mit Müh und Not noch hinein. Studenten auf dem Weg zu einem Fest. Nur Sascha hatte sie zu verdanken, daß der Fahrer sie nach Hause brachte und nicht mit auf das Fest schleppte. Sascha machte ihr Platz, als sie sich ins Auto quetschte. Sascha begriff, was passiert war. Sascha kam am nächsten Tag mit einer Flasche Sekt. Sascha zog eine Woche später ein.
    Sophie hatte schmerzende Füße und eine Blase am rechten kleinen Zeh, als sie in der Siedlung ankam. Der Auenweg lag im Dunkeln, obwohl es noch früh am Abend war, in den Häusern ringsum kein Licht. Die Nachbarn ließen immer um die gleiche Zeit mit einem häßlichen Ratschen die Rolläden herunter, egal, wie hell es noch war, eine Sitte, die sie nicht nachvollziehen konnte und die wohl etwas mit Fernsehgewohnheiten zu tun hatte. Sie öffnete das Gartentor, tastete sich den Weg entlang zur Haustür und steckte den Schlüssel ins Schloß. Er bewegte sich nicht. Er paßte nicht. Sie hatte den falschen Schlüssel mitgenommen.
    Unmöglich. Sie hatte nur einen Schlüsselbund.
    Es war das falsche Haus. Sie blickte sich um, während sich Angst in ihre Kehle brannte. Sah erst gar nichts, weil ihr plötzlich Tränen in den Augen standen. Spürte endlich die weichen gelben Blüten unter ihren Fingern und roch den Duft der Forsythie, die neben der Haustür blühte. Hörte Glas splittern unter ihren Füßen. Das Glas des zerbrochenen Fensters.
    Sie war nicht verrückt. Es war ihr Haus und es war ihr Schlüsselbund und es gab für alles eine rationale Erklärung. Sie bewegte die Klinke. Die Tür war offen. Deshalb gab es auch nichts aufzuschließen, wo hatte sie nur ihren Kopf? Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Alles war in Ordnung. Nichts war geschehen. Sie ging hinein.
    Im Flur roch es seltsam. Das Treppenlicht funktionierte nicht. Sie horchte auf ein Geräusch. War jemand da? Mensch, Tier, Gespenst? Vorsichtig tastete sie sich an der angelehnten Küchentür vorbei durch den Flur, ins Kaminzimmer. Das Telefon. Erst Regine, dann der ADAC. Oder umgekehrt. Ob sie wohl warteten, in Oberursel, in der Buchhandlung?
    Sie nahm den Hörer und drückte die Nummer, unter der sie Regines Anschluß gespeichert hatte. Hielt ihn ans Ohr und wartete. Wartete, wählte wieder und wartete und wartete und wählte, bis sie begriff, was sie längst ahnte. Das Telefon war tot.
    Im Flur klappte die Haustür. Kam jemand? Sie hielt die Luft an.
    Oder war jemand gegangen?

4
    Die Mädchen. Wo waren die Mädchen? DeLange stand in der Wohnungstür und hielt den Atem an. Dann stieß er ihn geräuschvoll wieder aus.
    Nicht hysterisch werden, Alter. Heute ist Chorprobe. Da kommen sie spät. Und du darfst kochen und trinken, was du willst und endlich mal wieder ungesund leben.
    Aber er hatte zu beidem nicht die geringste Lust. Die Schmerzattacke hatte seinen Körper erschöpft, hinter

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