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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Hessischen. Auch das waren klare Parallelen zur Akte Alexandra Raabe. Das Dorf reagierte erst reserviert und dann feindlich auf die Neuankömmlinge. Sie wurden geschnitten, nicht mehr gegrüßt, belogen, übervorteilt. Die Bäckersfrau bediente sie nicht. Und auf einer Kirmes wurden sie angepöbelt. Nur ein junges Mädchen hielt zu ihnen, obwohl seine Familie mit allen Mitteln den Kontakt zu verhindern suchte.
    DeLange überblätterte die Seiten, die den Lebensalltag der Liebeskommune beschrieb. Sie pflanzten Bäume im Garten, versuchten ein Gemüsebeet anzulegen, meditierten, kifften und machten Liebe. Zu dritt? Ein Mann, zwei Frauen.
    Für manche Männer sicher der Himmel auf Erden. Nicht für ihn. Ihm reichte eine.
    Während Angel, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wurde, als ein ganz ansehnliches, nettes Mädchen rüberkam, war für Sascha kein Superlativ zu schade. Blond und blauäugig, lange, schmale Glieder, eine auffallend schöne Frau. Auch das erinnerte ihn, natürlich – an Alexandra Raabe.
    DeLange legte das Buch beiseite und starrte vor sich hin. Sascha war, soweit er wußte, der Kosename von Alexander. Auch hier gab es also Übereinstimmung.
    Er malte zwei Kringel in seinen Notizblock und verband sie miteinander, in dem einen stand »Sascha«, in dem anderen »A.R.«
    Und was hatte die Winter noch gesagt, vor ein paar Tagen, auf dem Filmset? »Sascha war schöner« – als ihre Darstellerin. Sie kannte sie also. Von Fotos?
    Denkbar. Die andere Möglichkeit: Sie kannte sie wirklich. Aus Frankfurt, woher auch immer. Oder …
    »Herr DeLange?« Als er aufblickte, stand ein Alien vor ihm. Oder einer, der zum Mond fliegen wollte. Für einen Moment wußte er nicht, wo er war und warum er hier war. Auf den zweiten Blick erkannte er die Ärztin wieder.
    »Herr DeLange? Kommen Sie bitte mit?«
    Er folgte wie ein begossener Pudel. Daß er Schutzkleidung anziehen mußte, war ein schlechtes Zeichen. Er fürchtete sich vor dem, was ihn erwartete. Dann stand er vor Felis Bett.
    »Waterhouse-Friderichsen-Syndrom infolge einer zu spät erkannten Meningoenzephalitis.« Die Ärztin klang sachlich, aber nicht kalt.
    Feli lag inmitten von Schläuchen und Kabeln weiß in einem weißen Bett, nichts rührte sich an ihr, kein Finger, kein Mundwinkel, keine Wimper. Immerhin atmete sie, die weiße Bettdecke hob und senkte sich kaum wahrnehmbar.
    »Ihre Frau war nach einer bakteriellen Infektion offenbar zunächst symptomfrei. Gestern ist sie nach heftigem Erbrechen mit hohem Fieber aufgefunden worden. Sie hat einen Kreislaufschock infolge einer Nebennierenapoplexie durch Meningokokken-Sepsis erlitten.«
    Nebennierenapoplexie. Was immer das war.
    »Die Nebennierenrinde wird angegriffen oder zerstört, was zu einem akuten Mangel an Cortison führt. Wir haben eine hochdosierte Hydrocortison-Therapie angesetzt. Hoffentlich rechtzeitig.«
    DeLange strich vorsichtig über die weiße Hand, in der eine Kanüle steckte. »Wer hat sie gefunden?«
    Die Ärztin zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Wir leben getrennt«, sagte DeLange. »Ich war nicht bei ihr.« Aber der andere mußte bei ihr gewesen sein. Warum hatte das Arschloch ihr nicht geholfen? Er fühlte sich innerlich zittern vor Wut.
    »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, Herr DeLange.« Und es ist auch nicht weiter wichtig, schien die Miene der Ärztin zu sagen. »Ich weiß nur, daß es besser gewesen wäre, wir hätten sie früher hier gehabt.«
    »Ist denn …« Hoffnung, wollte er sagen. Aber welcher Arzt würde das schon verneinen?
    »Der Zustand Ihrer Frau ist sehr ernst. Wir tun, was wir können. Wir halten Sie auf dem laufenden.« Das Gesicht der Frau konnte er nicht erkennen, aber sie hatte müde Augen und eine müde Stimme. Irgendwie beunruhigte ihn das noch mehr – obwohl er noch nie einen Arzt auf einer Intensivstation erlebt hatte, der frisch und gut gelaunt gewesen wäre. Das lag wohl in der Natur der Sache. De Lange berührte vorsichtig Felis Wange, die sich trocken und kantig anfühlte.
    »Wie lange …«
    Die Ärztin hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Die Wende kann sehr schnell kommen.« Und es wäre besser, wenn sie schon gestern käme, hörte DeLange heraus.
    »Unsere Töchter. Dürfen sie …«
    Die Ärztin sah ihm in die Augen.
    Was stellst du auch für dumme Fragen, Alter.
    »Denken Sie an die Versicherungskarte, wenn Sie Ihre Frau morgen wieder besuchen?«
    Die Versicherungskarte. Natürlich. Auf dem Parkplatz dachte er kurz daran,

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